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Mediale Volksbefragungen

Von Hermann Schlösser

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"Wir kleinen Leute haben damit nichts zu tun", sagt ein älterer Mann, und ein jüngerer erklärt: "Ich interessiere mich mehr für Sport als für Politik." Wieder andere meinen, Österreich habe sich ein bisschen zu sehr in tschechische Angelegenheiten eingemischt, und das könne man sich nicht gefallen lassen. Diese Kommentare tschechischer Männer und Frauen zur derzeitigen Verstimmung zwischen ihrem Land und seinem Nachbarn Österreich wurden am Mittwochabend im "Report International" gesendet. Das war nichts Außergewöhnliches, ganz im Gegenteil: in politischen Magazinen werden solche Spontanäußerungen immer wieder gerne gezeigt.

Wie aber kommen sie zustande? Doch wohl nach dem Zufallsprinzip. Im "Report International" redeten z. B. die Zuschauer eines Eishockeyspiels, das kürzlich in Znaim stattfand. Hätte man statt dessen Besucher eines Symphoniekonzerts in Prag befragt, wären die Antworten vielleicht ganz anders ausgefallen. Was "die Tschechen" derzeit über Österreich denken, hat man aus den Kurzinterviews im Znaimer Eisstadion also höchstwahrscheinlich nicht erfahren. Man bekam lediglich eine von vielen möglichen Momentaufnahmen vorgeführt. Das ist kein Einwand gegen diese spezielle Sendung, sondern der Hinweis auf ein generelles Problem: Volksbefragungen mit Kamera und Mikrofon sind bei Journalisten wie bei Zuschauern beliebt, und das nicht ganz ohne Grund. Man sollte dabei nur nicht vergessen, dass der Informationswert solcher Sendungen geringer ist als der Unterhaltungswert.