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Mediation und Coaching: Wer profitiert hier?

Von Christa Karas

Wirtschaft

Sie kommen aus allen möglichen Berufen, waren bzw. sind Psychologen und Psychotherapeuten, Manager, Anwälte, Richter, Lehrer . . . An die 3.000 ausgebildete Mediatoren gibt es in Österreich und der Trend zu dieser aufwändigen Ausbildung, eren Qualität nun per Gesetz noch erhöht wurde, hält ungebrochen an. Analog dazu verläuft die Entwicklung bei den (angehenden) Coaches. - Und die Frage, "wer die nun alle braucht?", führt sich bei näherer Betrachtung von selbst ad absurdum: Vor allem von der (bisher meist aber eher zögerlichen) Wirtschaft.


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Es hat sich mittlerweile herumgesprochen: Die Mediation leistet Großartiges in Schulen, unter raufenden Jugendlichen und scheidungswilligen Ehepaaren, bei Nachbarschaftsstreitereien und dort, wo sie die längste Tradition hat, also im sogenannten Außergerichtlichen Tatausgleich. Sie vermittelt unter Konfliktparteien, ohne sich dabei zum Mittelpunkt zu machen - und ist deshalb das erfolgreichste Modell in den genannten heiklen Sozialbereichen.

Dass dieses Modell auch im Wirtschaftsbereich funktioniert, liegt auf der Hand: Betriebe haben die gleichen Guthaben und Defizite wie die gesamte Gesellschaft, zumal im Hinblick auf ihre Personalsituation. Ihr Hauptproblem besteht meist nur darin, dass sie Probleme nicht gern zugeben bzw. überhaupt verleugnen - zum eigenen Schaden und dem ihrer Mitarbeiter. Oft noch dann, wenn bereits "Feuer auf dem Dach" ist.

Wenn sich einer "ausklinkt"

Derlei Verdrängung kommt teuer. Schon ein einziger Arbeitnehmer, der sich etwa infolge Mobbings "ausklinkt", kostet etwa nach Schätzungen der Wiener Beratergruppe Neuwaldegg bis zu 35.000 Euro - primär. Fast immer macht ein solches Beispiel aber auch bei anderen frustrierten Mitarbeitern Schule und damit werden immer mehr unzufrieden. Die Krankenstände häufen sich ebenso wie die Arbeitsbelastung, die dann auf den Einzelnen entfällt. Ein Teufelskreis, der mit allen Folgen das Betriebsklima vergiftet, das Produktionsniveau senkt - und den dann nur ein erfahrener Berater von außen durchbrechen kann.

Chronische Kopf- und Rückenschmerzen, Schlaf- und Verdauungsstörungen, rheumatische Erkrankungen, Asthma, Herz-Kreislauf-Leiden, Sexualprobleme... Prof. Dr. Nossrat Peseschkian, Leiter der Wiesbadener Akademie für Psychotherapie, ist nicht der einzige Fachmann, der betont: "Wir kommen heute nicht mehr um die Feststellung herum, dass bis zu 80 Prozent aller Erkrankungen psychisch bedingt oder zumindest mitbedingt sind." Die Hauptursache sind dauerhaft ungelöste soziale Konflikte - und geschätzte zwei Drittel davon entstehen am Arbeitsplatz. Und zwar meist deshalb, weil soziale Kompetenz immer noch nicht zu den wichtigsten Kriterien bei der Bestellung von Vorgesetzten gilt. Das muss im Umkehrzug über kurz oder lang auch den fachlich qualifiziertesten Manager ins Schleudern bringen.

Versteckte Kosten

Aber das ist nur eine von vielen unerfreulichen Facetten, bedenkt man neben den offensichtlichen Kosten durch Konflikte die versteckten: Intern etwa durch Mitarbeiter, die - leider keine Seltenheit - ein Viertel oder gar ein Drittel ihrer Arbeitszeit für Konflikte aufwenden. Oder die Aufwendungen durch Mitarbeiterfluktuation, durch die, so die Expertin Mag. Andrea Komarek, nicht zuletzt "auch Wissen abfließt, das nicht oder nur schwer ersetzt werden kann."

Zu bedenken seien aber auch, so Komarek, die sogenannten externen Wirtschaftskonflikte z. B. mit Lieferanten, Geschäftspartnern, Anrainern, durch die der Ruf eines Unternehmens Schaden nehmen könne: "Eine dadurch notwendige Imagekorrektur ist nur schwer und zu hohen Kosten möglich, das gilt auch etwa für den Aufbau notwendig gewordener neuer Geschäftsbeziehungen."

Nicht zuletzt aus diesen Gründen ist Coaching in der Zwischenzeit nachgerade zum "Zwilling" der Mediation geworden, kann es doch u. v. a. auch zu einem besseren persönlichen Umgang mit Konflikten - vor allem jenen mit institutionellem Charakter, und das sind nach den Erfahrungen etwa von Michael Patak (Beratergruppe Neuwaldegg) die meisten -führen.

Dr. Gerald Kral, Klinischer Psychologe und Coach, auf die Frage, wo er vor allem Bedarf gegeben sieht: "In unklaren Entscheidungssituationen, etwa solchen, in denen man mögliche Konsequenzen von Entscheidungen und Handlungen nicht hinreichend abschätzen kann. In Problemsituationen, in denen sich keine Lösung abzeichnet bzw. in denen sich nur eine Lösung abzeichnet, man sich aber nicht sicher ist, ob das wirklich die beste ist." Generell erhelle Coaching die Betriebsblindheit und erweitere den Wahrnehmungs- und Handlungsspielraum, so Kral. Und nennt damit zwei der wichtigsten Benefits schlechthin.