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Medikamente direkt vom "Doktor"?

Von Christa Karas

Wissen

Vordergründig sprechen manche | Argumente dafür. | Schwachstellen zeigen, warum es | undurchführbar ist. | Wien. Unter dem Titel "Medikamentenmanagement in der Arztpraxis" präsentiert Dr. Christoph Reisner, Präsident des Österreichischen Wahlärztevereins und Vizepräsident der Ärztekammer Niederösterreich, ein neues Konzept, das über die alte Forderung nach Hausapotheken hinausgeht: Reisner wünscht sich nämlich, dass alle niedergelassenen Ärzte unter Umgehung der Apotheken den Patienten die Medikamente direkt auf die Hand geben können.


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Reisner: "Medikamentenmanagement ist die patientenfreundlichste Abgabeform, da sich der Patient lange und oft sehr schmerzhafte Wege erspart." Kernpunkt sei aber der Ansatz, die "Honorierung des Leistungserbringers nicht über eine Handelsspanne, sondern über die Pauschalentlohnung einer Dienstleistung durchzuführen". Seine Argumente: Die Kassen ersparten sich durch Großeinkäufe viel Geld und die Ärzte erhielten eine neue Einkommensmöglichkeit.

Einsparpotenzial

Reisner meint weiters, dass dadurch kein finanzieller Anreiz unmittelbar durch die Art der Verschreibung entstünde, dass die Fehlerquote durch Einsparung einer Vertriebsstufe (der Apotheken) reduziert würde und dass durch eine Abrechnung direkt zwischen Patient und Sozialversicherung sowie der Sozialversicherung und dem Großhändler eine bessere Kontrolle der Verordnung möglich wäre. Seiner Einschätzung zufolge wäre bei völliger Durchsetzung dieses Konzepts nicht zuletzt ein Einsparpotenzial in Höhe von rund 70 Millionen Euro pro Jahr für die Sozialversicherungen gegeben.

Derzeit, so rechnet Reisner vor, gingen 45 bis 50 Prozent des Verkaufspreises an die Pharmafirmen, knappe zehn Prozent verblieben dem Großhandel, etwas mehr als 15 Prozent vom Bruttoverkaufspreis entfielen auf die Mehrwertsteuer von 20 Prozent und den öffentlichen Apotheken bliebe "der stolze Anteil von 20 bis 25 Prozent des Umsatzvolumens". Die Ärzte seien zwar auch in dieses Distributionssystem eingebunden, würden aber derzeit unentlohnt bleiben, obwohl ihnen der größte Teil der Verantwortung zukomme: Aufklärung des Patienten, Überprüfung von Neben- und Wechselwirkungen und die Haftung für die sinnvolle und ökonomische Verschreibung.

Apotheke ist mehr

Mag. Max Wellan, Präsident der Landesgeschäftsstelle Wien der Österreichischen Apothekerkammer, dazu von der "Wiener Zeitung" befragt, hat gewichtige Gegenargumente, denen mutmaßlich auch viele Ärzte zustimmen würden. Da ist zunächst einmal das Lagerhaltungsproblem. Wellan im Hinblick auf die ärztlichen Hausapotheken: "Manche Menschen kommen nun einmal nicht mit zehn Medikamenten aus, sondern benötigen auf Grund spezieller Erkrankungen auch besondere Medikamente. In unserenApotheken befinden sich durchschnittlich 3000 bis 4000 Arzneimittelspezialitäten."

Auch sonst sei "Apotheke viel mehr", schon auf Grund der sehr genauen Vorschriften wie zum Beispiel die Betriebspflicht und die Urlausbregelung für die österreichischen Apotheken. Wellan: "Woher nimmt der Patient dann seine Medikamente, wenn der Arzt auf Urlaub ist?" Und: "Welcher Arzt hätte etwa die ganz speziell dem einzelnen Patienten zugeordneten Medikamente zur Verfügung, die dem Suchtmittelgesetz unterliegen?"

Hinzu komme die ständige Verfügbarkeit durch die weit längeren Öffnungszeiten der Apotheken im Gegensatz zu jenen der Arztpraxen, die Nacht- und Wochenenddienste und der besondere Service. Selbst außergewöhnlich selten verschriebene Arzneimittel können durch die Zustelldienste binnen weniger Stunden besorgt werden.

Und nicht nur, dass Apotheken ja auch andere Bedarfsartikel für ihre Kunden führen, sind die Pharmazeuten geschult in der Beratung und geduldig - wichtige Faktoren vor allem in einer immer älter werdenden Gesellschaft: Wie viele Ärzte haben schon die Zeit, einem leicht dementen oder schwerhörigen Patienten mehrmals die selbe Frage zu beantworten?

Keine Kostensenkung

Wellan verweist zudem darauf, dass just durch das für Reisner entbehrliche "Vier-Augen-Prinzip" von Arzt und Apotheker die Fehlerquote etwa von Medikamentenunverträglichkeiten, Allergien etc verringert wird. "Das ist ein zweiter Sicherheitsanker." Und er lässt auch das Kostenargument nicht gelten: "In allen Ländern, wo Ärzte selbst Medikamente abgegeben, kommt dies die Sozialversicherung teurer, wohingegen Japan eine enorme Kostensenkung verbucht hat, seit dies verboten worden ist."