80.000 Menschen in Österreich haben Schizophrenie. | Ihre Angehörigen sind mitbetroffen. | Neue Therapien führen zur Entstigmatisierung. | Wien. (chk) Die Geschichte der Behandlung der Schizophrenie ist gleich jener der Psychiatrie. "Ursprünglich wurden Menschen mit psychiatrischen Erkrankungen verleugnet und weggesperrt. Erst nach und nach, vor allem im Verlauf des 20. Jahrhunderts, änderte sich das Management. Zwangsjacken und Netzbetten verschwanden aus den psychiatrischen Krankenhäusern", sagt Univ.-Doz. Prim. Dr. Werner Schöny, Ärztlicher Direktor der Nervenklinik Linz Wagner Jauregg und Obmann des Vereins pro mente Österreich.
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Nicht nur er, sondern weitere namhafte Experten traten jüngst in Wien an die Öffentlichkeit, um über die Krankheit aufzuklären und an ihre Kollegen zu appelieren, die Scheu vor dieser Diagnose abzulegen. Denn mittlerweile haben neue Behandlungsverfahren dazu geführt, dass Medikamente wesentlich verträglicher wurden, die typisch stigmatisierenden Langzeitnebenwirkungen praktisch nicht mehr vorkommen und die Compliance - die Einnahmetreue der Patientinnen und Patienten - deutlich besser wurde. Schöny: "Besonders bei psychotischen Störungen hat dies dazu geführt, dass auch Menschen mit schweren chronischen Psychosen außerhalb der Krankenhäuser in die Gesellschaft integriert leben können und an ihrem sozialen Umfeld teilhaben."
Kaum Nebenwirkungen
Univ.-Prof. Dr. Christian Barnas von der Universitätsklinik für Psychiatrie am AKH Wien über die neuen, seit Mitte der 1980er Jahre eingesetzten "atypischen" Antipsychotika: "Diese Substanzen sind in ihrer Wirkungsweise als heterogen einzustufen und zeichnen sich dadurch aus, dass ihnen die neurologischen und hormonellen Nebenwirkungen fast gänzlich fehlen. Außerdem wirken sie auf alle Symptome der Schizophrenie. Diese Vielzahl an Vorteilen führt zu entsprechend besserer Compliance und damit zu einer höheren Lebensqualität der betroffenen Patienten." Die neuen Antipsychotika gelten heute als Mittel der ersten Wahl bei schizophrenen Psychosen.
Früherkennung . . .
Univ.-Prof. Dr. Karl Dantendorfer, Chefarzt des Psychosozialen Dienstes Burgenland und Obmann von pro mente Wien erläuterte die integrativen Komponenten der Schizophreniebehandlung. Dantendorfer: "Heutzutage lebt der schizophrene Patient zu Hause."
Wurden im Jahr 1970 in Österreich noch 12.000 psychiatrische Betten gezählt, so sind es heute nur noch 4000. "Das war nur möglich, weil sich einerseits die medikamentösen Therapiemöglichkeiten verbessert haben, und andererseits die ambulanten medizinischen und psychosozialen Betreuungseinrichtungen ausgebaut wurden. Das wichtigste", so Dantendorfer weiter, "ist aber die Früherkennung und die möglichst frühe medikamentöse Therapie der Betroffenen." Und: In jedem Fall sollten die Familien der Erkrankten in die Therapieformen mit einbezogen werden.
. . . und Langzeittherapie
Aber auch die medikamentöse Langzeittherapie bei den chronisch rezidivierenden Verläufen sollte nicht vergessen werden. Dantendorfer: "Dadurch kann man Schübe hintanhalten und so Prognose, Lebensqualität und soziale Integration erhalten."