EU-rechtliche Bedenken gegen eine Arbeitsverpflichtung nach dem Studium in Österreich.
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Wenn einzelne Kollegen behaupten, der Fachärztemangel in Österreich könne durch die Einführung einer Arbeitsverpflichtung in Österreich nach dem Abschluss des Studiums gelöst werden (gesprochen wird von fünf Jahren innerhalb eines Zeitraums von zehn Jahren), so kann nur davor gewarnt werden. Gerade aus EU-rechtlicher Perspektive ist dafür nicht im Mindesten eine Grundlage gegeben.
Wenn hier die EuGH-Entscheidung "Simma Federspiel" (Rechtssache C 419/16) ins Feld geführt wird, dann muss darauf geachtet werden, dass nicht Äpfel mit Birnen verglichen werden. In "Simma Federspiel" ging es nämlich um ein Stipendienmodell zur Finanzierung der Facharztausbildung im Ausland und nicht um die allgemeine Finanzierung der medizinisch-universitären Ausbildung. Zudem wurden in diesem Urteil - bezogen auf ein sehr kleines, von rechtlichen Eigenheiten geprägtes Territorium - sehr restriktive Vorgaben gesetzt, damit die nachfolgende Arbeitsverpflichtung (oder alternativ dazu die Rückzahlung eines Teilbetrags des Stipendiums) greifen kann. Ob der EuGH bereit wäre, eine derart gravierende Einschränkung der Arbeitnehmerfreizügigkeit in einer solch extensiven Form auszudehnen, sodass selbst schon die allgemeine Finanzierung des Medizinstudiums zu Kompensationspflichten der Absolventinnen und Absolventen führen kann, ist noch völlig offen und durch nichts belegt.
Und auch alle weiteren, durchaus gravierenden Folgen wurden hier nicht bedacht: Glauben die Proponenten dieser Neuregelung wirklich in einem solchen Fall, wenn also die Arbeitsverpflichtung für einen ganzen Mitgliedstaat und damit als EU-weite Regel abgesegnet würde (was mehr als zweifelhaft erscheint), dann auch noch parallel die Quotenregelung zugunsten der heimischen Medizinstudierenden verteidigen und damit de facto den Medizin-Arbeitsmarkt in Österreich hermetisch abriegeln zu können? Wenn, dann sind solche Spontanideen immer auch im Gesamtkontext und hier in Verbindung mit der Quotenregelung zu denken. Und im Zweifel ist die Quote wohl das weit wirksamere und wertvollere Instrument zur Sicherung der ärztlichen Versorgung.
Von den vielen weiteren Punkten, die hier offenkundig nicht bedacht worden sind, noch ein zentraler: Ist den Proponenten dieses Beschränkungs- und Verpflichtungsmodells bewusst, dass die Qualität der medizinischen Versorgung zentral auch von internationalen Ausbildungsmöglichkeiten abhängt, die unmittelbar mit einer entsprechenden Mobilität zusammenhängen, und dass diese durch lokale Arbeitsverpflichtungen (noch dazu für fünf Jahre in einer für die Ausbildung fundamentalen Periode) wesentlich gehemmt wird?
Diese Materie ist eine durchaus spannende und wichtige. Aber sie ist auch äußerst delikat und bedürfte einer ganz anderen Vertiefung, bevor angeblich EU-rechtskonforme neue Lösungsansätze an die Öffentlichkeit getragen werden.