Österreich: 21 Mrd. an der Steuer vorbei. | Mangelndes | | Brüssel. Die EU-Kommission will der Schwarzarbeit den Kampf ansagen. Würden alle ihre Steuern und Sozialabgaben zahlen, wären die Sozialsysteme gerettet, erklärte Sozialkommissar Vladimir Spidla sinngemäß. Dafür müssten vor allem endlich die Lohnnebenkosten gesenkt werden, die seit 2000 nur um 1,2 Prozent zurückgegangen seien und noch immer bei rund 40 Prozent lägen.
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Um das Ausmaß der Schwarzarbeit zu erfassen, griff die Kommission zum Instrument der Eurobarometer-Umfrage. Demnach gaben allein sieben Prozent der befragten Österreicher zu, im letzten Jahr zumindest einen Teil ihrer Einkünfte an der Finanz vorbei geschleust zu haben. Bei Studenten, Selbstständigen und Arbeitslosen liegt die Quote noch höher.
EU-weit liegt der Schnitt bei fünf Prozent. Das hieße, dass auf knapp 400 Millionen Bürger im erwerbsfähigen Alter fast 20 Millionen Schwarzarbeiter kommen. Das habe "extrem negative Auswirkungen auf die Staatskassen und Sozialsysteme", sagte Spidla. Neben der Senkung der Lohnnebenkosten plädiert er für den Abbau von bürokratischen Hürden, vor allem für Kurzzeitarbeitsverhältnisse, und die Einführung von Mindestlöhnen - damit es sich für die Arbeitkräfte "auszahlt", die Illegalität zu verlassen.
854.000 Vollzeitpfuscher
Der finanzielle Umfang der Schattenwirtschaft am gesamten Bruttonationalprodukt der Union sei unglaublich schwierig zu erfassen, erklären Experten der EU-Kommission. Für Österreich hat die Lechner, Reiter & Riesenfelder Sozialforschung OEG für das der Brüsseler Behörde unterstellte EU-Employment-Observatory allerdings interessante Ergebnisse zusammengestellt. So wird die Schattenwirtschaft für 2005 mit 22 Milliarden Euro oder 10,27 Prozent des Bruttoinlandsprodukts angegeben. Für 2007 erwarten die Sozialforscher mit 21 Milliarden Euro oder 9,37 Prozent der Wirtschaftsleistung immerhin einen gewissen Rückgang. Allerdings könnte die geplante Erhöhung der Sozialversicherungsbeiträge zu einem erneuten Anwachsen führen. Als Basis für diese Berechnungen dient die von der OECD anerkannte Methode, den tatsächlichen mit dem der eigentlichen Wirtschaftsleistung entsprechenden Geldumlauf zu vergleichen.
Für 2005 werden in dem Papier 750.000 heimische Vollzeitschwarzarbeiter plus 104.000 aus dem Ausland für Österreich angegeben. Die meisten Schwarzarbeiter sind am Bau, im Tourismus und in privaten Haushalten tätig. Dort sollen allein 40.000 Frauen aus den neuen Mitgliedsstaaten ohne Anmeldung arbeiten. Diesen bemerkenswerten Zahlen stehen laut Arbeitsmarktstatistik 2005 knapp 3,5 Mio. legal beschäftigte Inländer und 745.000 gemeldete Arbeitskräfte aus dem Ausland gegenüber.
Reines Kavaliersdelikt?
Problematisch scheint auch das in Österreich weitgehend fehlende Unrechtsbewusstsein: So gaben bei einer Umfrage vor einem Jahr 63 Prozent der Befragten an, Schwarzarbeit als reines Kavaliersdelikt zu betrachten. Diese Einschätzung findet sich in abgeschwächter Form auch in der Eurobarometer-Umfrage. Für Steuerhinterziehung liegt der Österreich-Schnitt auf einer Skala von 1 (verpönt) bis 10 (toleriert) mit 3,4 an zweiter Stelle hinter dem von Lettland. Finnen und Schweden sind mit 1,8 die korrektesten Europäer.