Problem wird von den Betroffenen | häufig unterschätzt. | Von der Reaktion bis zur Diagnose | dauert es oft Jahre. | Wien. Betroffen sind die Luftwege, Haut und Haar sowie der Verdauungstrakt. Laut aktuellen "Österreichischen Allergiebericht" gaben 22 Prozent bei Gesundenuntersuchungen Befragte an, unter Allergien zu leiden, mitteleuropäische Studien gehen bereits von 25 bis 27 Prozent aus. Demnach hätte jeder vierte Österreicher ein Allergieproblem. "In diesen Zahlen sind die Nahrungsmittel-Intoleranzen noch gar nicht inkludiert, die weitere mindestens zehn bis 20 Prozent ausmachen", erklärt Univ.-Prof. Reinhart Jarisch, Vorsitzender des Komitees für klinische Allergologie der ÖGAI (Österreichische Gesellschaft für Allergologie und Immunologie).
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In Summe gesehen müsse man also davon ausgehen, dass fast die Hälfte der österreichischen Bevölkerung ein Problem mit der Umwelt oder mit Nahrungsmitteln hat. Unverträglichkeitsreaktionen sind daher nicht die Ausnahme und betreffen nicht eine Minderheit, sondern prägen heute unser tägliches Leben. Jarisch: "Während vor etwa 30 Jahren lediglich der Heuschnupfen, insbesondere die Gräserpollen-Allergie und fallweise allergisches Asthma auf Hausstaubmilben und Tierepithelien bekannt waren, hat sich die Palette der Unverträglichkeitsreaktionen, Allergien und Intoleranzen seither ganz enorm erweitert."
Paradox und alarmierend: Einerseits ist positiv zu vermerken, dass die medizinische Diagnostik wesentlich präziser geworden ist und das verbesserte Therapieangebot von den Patienten vermehrt angenommen wird. Andererseits beträgt die Zeitspanne vom Beginn der ersten allergischen Reaktion bis zur endgültigen Diagnosestellung im Durchschnitt zwischen sechs und neun Jahre.
Jarisch: "Es geht also in erster Linie darum, Menschen mit Allergien möglichst bald zu einem Arztbesuch zu motivieren, ihnen klarzumachen dass Allergien eine Krankheit sind, und ihnen möglichst frühzeitig die optimale Behandlung anzubieten." Aus diesem Grund wurde vor kurzem die interdisziplinäre Aktion "Gemeinsam gegen Allergie" gestartet, der sich Mediziner aller relevanten Fachrichtungen und Patientenvertreter angeschlossen haben (siehe Info-Kasten).
Stark beeinträchtigt
Dadurch sollen die Lücken bei Diagnose und Therapie möglichst geschlossen, unnötiges Leiden verhindert und die Lebensqualität verbessert werden. Denn wie aus dem aktuellen "Österreichischen Allergiebericht" hervorgeht, fühlen sich 62,9 Prozent der Patienten mit allergischem Darmleiden durch die Erkrankung sehr oder ziemlich beeinträchtigt. Bei Asthmatikern sind es 55,1 Prozent, bei Personen mit allergischer Rhinitis während bestimmter Jahrezeiten 51,4 Prozent, bei Patienten mit allergischer Rhinitis unabhängig von der Jahreszeit 46,8 und bei Patienten mit allergischem Hautausschlag 49,1 Prozent.
Primarius Norbert Vetter (Pulmologisches Zentrum, Otto Wagner Spital Wien): "Zum anderen bedeutet vor allem eine verschleppte Therapie des Heuschnupfens volkswirtschaftliche Mehrkosten. Insbesondere der Etagenwechsel von allergischer Rhinitis zu Asthma führt zu einem dramatischen Anstieg der Behandlungskosten: Während die indirekten und direkten Kosten einer allergischen Rhinitis jährlich ca. 1500 Euro betragen, verschlingt die Behandlung eines Asthmatikers ca. 9300 Euro, also das Sechsfache."
Alternativmedizin
Die Tatsache, dass die Zeitspanne vom Beginn der allergischen Reaktion bis zur endgültigen Diagnosestellung derzeit oft Jahre dauert, bedeutet laut den Experten freilich auch, dass gerade bei dieser Krankheit viel Selbstmedizin versucht wird, anstatt rasch zu einer Diagnose und nachfolgenden Behandlung zu kommen. Doch so wie bei jeder Erkrankung ist die Therapie um so weniger wirksam, je später sie beginnt.
Jarisch: "Speziell auf dem Gebiet der Allergie findet auch die sogenannte Alternativbzw. Komplementärmedizin ein reiches Betätigungsfeld. Obwohl - abgesehen von der Akupunktur - unwirksam, wird das alternativmedizinische Angebot doch immer wieder von Patienten in Anspruch genommen, offenbar weil immer noch an Wunder geglaubt wird. Der Zuspruch, den die Alternativbzw. Komplementärmedizin hier findet, ist wohl darauf zurück zu führen, dass es noch keine Therapie gibt, die mit einem Schlag die Allergie zu 100 Prozent ausschaltet. Andererseits ist die Ausbildung mancher Ärzte auf diesem neuen Gebiet der Medizin mangelhaft. Allergologie wird zwar auf der Universität gelehrt, wovon speziell jüngere Studenten profitieren. Ärzte, die ihre Ausbildung früher gemacht haben, sind jedoch über dieses wichtige Gebiet oft zu wenig informiert."
Auszubildende Ärzte sollten demzufolge unbedingt eine entsprechend lange Zeit in der Allergieambulanz ausgebildet werden.
Siehe auchDossier Allergien