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Mehr als nur Bier

Von David Hanny

Politik

Craft-Bier verändert die Bierlandschaft in Österreich. Es geht um Vielfalt, Regionalität und Kleinbrauereien.


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Wien. Wer das Bierfachgeschäft Beerlovers im 6. Bezirk in Wien betritt, sieht vor allem eines: Bier. Unzählige Flaschen und Dosen reihen sich in den Regalen aneinander. Sie alle sind gefüllt mit Bier. Keines davon gleicht dem anderen. Es gibt dunkles und helles Bier, fruchtiges und herbes in allen nur erdenklichen Geschmacksrichtungen. Maracuja oder Himbeere etwa. Das Bier, das Geschäftsführer Markus Betz hier verkauft, ist kein normales Bier. "Wir verkaufen Craft-Bier. Das ist kein traditionelles Einheitsbier, sondern geht weg vom klassischen brotigen, hopfigen Geschmack", erklärt Betz. Tendenziell wird Craft-Bier im kleinen Rahmen hergestellt. Dadurch sind in den letzten Jahren immer mehr kleine Brauunternehmen entstanden. Der österreichische Brauereiverband verzeichnet mittlerweile 278 Brauereien - so viele wie noch nie. 150 davon verkaufen ihr Bier gewerblich, der Rest sind Haus- und Gaststättenbrauereien.

Viel Potenzial nach oben

"In Amerika gibt es Craft-Bier seit Jahrzehnten. Aus fünf bis sechs Brauereien in den 70ern sind mittlerweile mehr als 6000 geworden. Craft-Bier hat dort bereits einen Marktanteil von über 20 Prozent", erzählt Betz. In seiner Stimme liegt Begeisterung. Auch sein Hemd zeigt seine Leidenschaft: Darauf steht in großen Buchstaben das Wort "Beerlovers". Anfang 2015 schaffte Craft-Bier den Durchbruch in Österreich. Noch ist der Marktanteil des neuen Kreativbiers aber gering. Er liegt knapp unter einem Prozent. Klassische Biere wie Lager oder Märzen sind nach wie vor am beliebtesten. Allerdings hat sich der Absatz von Craft-Bier allein im letzten Jahr fast verdoppelt. Dieser Trend werde sich in Zukunft fortsetzen, sagt Betz: "Vor allem die jungen Leute gehen weniger aus und leisten sich dafür etwas mehr - auch beim Bier. Sie merken, dass Bier nicht immer gleich schmecken muss, und probieren auch neue Variationen, die sie noch nicht kennen. So verändert sich Stück für Stück die Wahrnehmung von Bier in der Bevölkerung." Viele wüssten überhaupt nicht, wie Bier überhaupt schmecken kann. Der klassische Geschmack von Lager-Bier hätte sich in der Bevölkerung so etabliert, dass sie nur diese eine Art von Bier kennen würde.

Der einzigartige Geschmack von Craft-Bier - ob fruchtig oder herb - entsteht beim Brauen. Grundsätzlich besteht Bier immer aus den vier Grundzutaten Wasser, Malz, Hopfen und Wasser. Während des zwei- bis fünfwöchigen Brauprozesses entsteht daraus alkoholhaltiges Bier. Unterschiede im Geschmack würden oft nur kleine Variationen in der Hopfenmenge oder dem Brau-Ablauf ausmachen, so Betz. Es gebe allerdings auch ausgefallenere Biervarianten, in die Fruchtpüree oder Saft gemischt wird. "Vor allem die fruchtigen Biersorten verändern das Image, das Bier vermittelt. Im Großen und Ganzen gibt es nämlich mehr Biertrinker als Biertrinkerinnen. Ein Grund dafür ist der bittere Geschmack. Den mögen viele Frauen einfach nicht. Fruchtige und leichtere Craft-Biere machen Bier auch für Leute, die klassisches nicht mögen, attraktiv", sagt Betz.

Prekarität am Biermarkt

Im hinteren Teil des Geschäfts hat Betz einen Seminarraum eingerichtet. Eine Glastür verbindet diesen mit einem kleinen Braukeller. Hinter dem Glas blitzen zwei kupferfarbene Metallkessel. Markus Betz produziert mit seiner Kollegin Marina Ebner auch selbst Bier für sein Geschäft. Eigenes, hochwertiges Brauequipment wie es Markus Betz besitzt, können sich die meisten angehenden Bierbrauer nicht leisten. Für den Eigenbedarf ist eine Brauausstattung zwar leistbar, eine gute Anlage für größere Produktionsmengen kostet aber schon einmal mehr als eine Million Euro. Viele produzieren ihr Bier deshalb in Partnerbrauereien.

Der Einstieg in den Biermarkt sei trotz der Partnerbrauereien aber schwierig. "Mit den großen, alteingesessen Brauereien und den kürzlich entstandenen kleinen ist der Markt in Österreich bereits ziemlich gesättigt. Wer heute eine Biermarke aufbauen will, muss unglaublich viel Geschick mitbringen, unglaublich gutes Marketing betreiben und unglaublich hochwertiges Bier produzieren. Man muss ständig seine bestehende Kundschaft betreuen und gleichzeitig sein Bier an neue Leute bringen." Das wichtigste Marketinginstrument sind Veranstaltungen - vor allem in der Region. Regionaler Bezug ist Teil des Konzepts Craft-Bier. Die Bierbrauer sollen direkten und persönlichen Kontakt zu ihren Kunden haben. Dadurch bleibt das Bier in einem eher kleinen Kreis und mehrere Craft-Bier-Produzenten können parallel überleben. Das Problem bei der Sache: Craft-Bier ist in Österreich fast ausschließlich im urbanen Raum verbreitet. Auf dem Land sei der persönliche Bezug zum regionalen Bier oft zu groß, sagt Markus Betz. Dadurch hätten kleine Brauereien dort wenig Chancen.

Marktsituation bleibt offen

Zusätzlicher Druck kommt von großen Traditionsbrauereien, die ebenfalls auf den Kreativbier-Trend aufgesprungen sind und entsprechende Produkte auf den Markt bringen.

Das erschwere kleinen Craft-Bier-Brauern zwar das Leben, die Brauereien würden damit aber viel Aufmerksamkeit auf die neue Szene lenken, erklärt Markus Betz: "Große Brauereien haben die notwendigen Ressourcen. Sie können große Werbe-Kampagnen fahren, die den Biermarkt nachhaltig verändern. Bis vor einem Jahr wusste zum Beispiel kaum jemand, was ein Pale Ale ist. Wenn mehr Menschen diese neuen Biersorten kennen, profitieren auch die kleinen Brauereien."

Mit 106 Liter pro Kopf und Jahr ist Österreich Vize-Weltmeister im Bier-Trinken. Mehr trinken nur die Tschechen. Wenn sich der Craft-Bier-Trend auch hier fortsetzt, wird sich das Konsumverhalten jedenfalls ändern. Doch nicht nur das. Auch der grundsätzliche Markt bewegt sich: Weg von wenigen großen Brauereien und Einheitlichkeit, hin zu Kleinunternehmen und Vielfalt.