Nicht nur Finanz-Information, sondern auch Imageträger. | "Die meisten Geschäftsberichte sind noch immer stinklangweilig." | Wien. "Der Einfluss des Geschäftsberichts auf die Marke wird noch unterschätzt", sagt Markenberater Oliver Heiss von der Agentur Brainds. Unternehmen, die ihre Geschäftsberichte mit sperrigen Texten, Tabellen und langen Zahlenkolonnen vollstopfen, haben offenbar noch nicht erkannt, dass über die oft mehrere hundert Seiten dicke Publikation mehr als nur Information transportiert wird.
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"Die meisten Geschäftsberichte sind immer noch stinklangweilig", kritisiert Andreas Miedaner, Geschäftsführer der Wiener Agentur Büro X. Nach Ansicht von Heiss sind die meisten Berichte eine Verschwendung von Unternehmensressourcen und Leserzeit. Ein Großteil der Berichte werde wie Pflichtpublikationen behandelt, dabei werden Investitionsentscheidungen aber emotional getroffen. "Berührt man mit dem Bericht nicht emotional, ist das eine vertane Chance", sagt Heiss.
Neben börsenotierten Unternehmen, die einen Geschäftsbericht publizieren müssen, nutzen auch immer mehr nicht-börsenotierte Unternehmen die Berichte als Imageträger. Die Wiener Hauskrankenpflege hat beispielsweise für das Jahr 2008 erstmals einen Lagebericht herausgegeben, der Bericht 2009 räumte den ersten Preis in der Kategorie NGOs und soziale Dienste beim "trend Austria Annual Report Award" ab, der seit 22 Jahren die besten Geschäftsberichte in Österreich auszeichnet.
"Die Wiener Hauskrankenpflege ist von einer Pionierorganisation im Hinterhof zu einem großen Unternehmen gewachsen. Dementsprechend wichtig ist der Jahresbericht, um in der Außenwirkung ebenso als solches wahrgenommen zu werden", sagt Evelyn Weismüller, Geschäftsführerin der Wiener Hauskrankenpflege.
Kreative Ideensind gefragt
Weil die Unternehmenskennzahlen zur Zeit der Veröffentlichung schon alt und bekannt sind, sollten die Berichte mit einer kreativen Idee, Fotos und der Qualität des Papiers überzeugen. "Inhalt, Botschaft und Tonalität der Botschaft müssen im Einklang sein und zum Unternehmen passen", formuliert Miedaner sein Rezept für einen guten Geschäftsbericht. So schickte das Verkehrsbüro als größter Tourismuskonzern Österreichs in seinem Geschäftsbericht 2009 "Grüße von ganz oben" in Form von Ansichtskarten.
Vier bis sechs Monate wird im Schnitt an einem Bericht gearbeitet, je nach Unternehmensgröße und Auflage lässt sich ein Betrieb die Publikation inklusive Druck zwischen 50.000 und 200.000 Euro kosten.
Lohnt sich dieser Aufwand überhaupt, wo doch die meisten Berichte nur durchgeblättert werden? Gerade weil den Publikationen im Schnitt nur zwei bis fünf Minuten Aufmerksamkeit geschenkt wird, müsse eine Botschaft transportiert werden, die in Erinnerung bleibt, so Miedaner. Die Kunst dabei ist, die Botschaft spannend zu inszenieren und aus der Not eine Tugend zu machen - wie der heimische Baustoffhersteller Wienerberger, der den Geschäftsbericht 2009 unter das Motto "Diesen Geschäftsbericht hätten wir uns gerne gespart" gestellt hat. Die Publikation erhielt den ersten Preis in der Kategorie börsenotierte Unternehmen beim "trend"-Award.
Auf dem zweiten Platz landete die Telekom Austria, deren Bericht unter dem Motto "Wir rechnen mit allem" stand. Der Konzern will mit seinen Berichten persönlich berühren: Im Vorjahr hat die Telekom Austria Group ihren Nachhaltigkeitsbericht 2008/09 in ein Kinderbuch eingebunden, für 2009/10 wurden Rezepte aus den Ländern, in denen das Unternehmen aktiv ist, beigefügt. "Wir haben viel positives Feedback für unsere Berichte bekommen", sagt Max Rabl, Leiter Corporate Media der Telekom Austria.
Mit Kulinarik versuchte auch die RZB Group in ihrem Geschäftsbericht 2006 zu punkten: Unter dem Motto "Zentral- und Osteuropa à la carte" präsentierte die Bankengruppe kulinarische Köstlichkeiten der Heimatmärkte.
Außergewöhnlich:Eine Bilanz als Arie
Ungewöhnlich, aber zur Marke passend, vertonte Bang & Olufsen, der dänische Hersteller von hochwertigen Fernsehern und Stereoanlagen, seinen Geschäftsbericht auf fünf CDs. Auszüge des Berichts wurden von einem Opernensemble als Arien und Choräle interpretiert.
Besonders originelle Ideen sind aber meist teuer. Heiss beobachtet, dass das "Verspielte" zurückgehe. Derzeit gehe es darum, das meiste aus dem vorhandenen Budget herauszuholen - etwa mit hochwertigen Materialien, guten Fotos und mit der Typografie. "Man muss nicht jedes Jahr das Rad neu erfinden", so Heiss. Ideal ist ein Konzept, das als Serie für mehrere Jahre funktioniert.