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Mehr Altersarbeitslosigkeit droht

Von Herbert Hutar

Politik

Sozialministerium fördert Unternehmen, die Ältere behalten.


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Wien. Wird das Pensionspaket zu einer noch höheren Arbeitslosigkeit bei älteren Menschen führen? Werden die Unternehmer ihre Personalkosten weiter auf Kosten der Allgemeinheit senken, indem sie Ältere in die Pension zwingen oder in die Arbeitslosigkeit schicken? Wird die Flucht in die Frühpension auch unter erschwerten Bedingungen anhalten? - Die Meinungen sind geteilt.

Die Pessimisten verweisen auf die stark gestiegene Altersarbeitslosigkeit nach den letzten Pensionsreformen, die sich wiederholen werde. Die Optimisten glauben an die Dynamik des Arbeitsmarktes und den Erfolg der Begleitmaßnahmen. Ein wirksames Bonus-Malus-System für Unternehmer und Frühpensionskandidaten, wie im Vorfeld heftig diskutiert, ist nicht beschlossen worden. Die schwache Konjunktur wird auch nicht helfen.

Christine Mayrhuber, Arbeitsmarktexpertin am Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo), meint, die Anreize für die Unternehmen, ältere Mitarbeiter länger in Beschäftigung zu halten, seien zu gering. Sie befürchtet mit der schrittweisen Anhebung des Eintrittsalters in die Korridorpension bei den älteren Männern wieder ähnlich hohe Arbeitslosenraten wie in den Jahren nach 2001. Damals waren die Arbeitslosenquoten der 60- bis 65-Jährigen mit 15 bis 16 Prozent mehr als doppelt so hoch wie der Durchschnitt. Denn die Unternehmen würden nach wie vor Ältere abbauen, und wenn die nicht direkt in die Korridorpension gehen, dann eben mit einer Zwischenstation in der Arbeitslosigkeit.

Und auch die Chancen jener, die sich künftig einer gesundheitlichen und beruflichen Rehabilitation unterziehen müssen, bevor sie für eine Invaliditätspension in Frage kommen, schätzt Mayrhuber am Arbeitsmarkt gering ein. "Wer stellt einen älteren Menschen direkt von der Umschulung womöglich mit Gesundheitsproblemen ohne einschlägige Berufserfahrung ein?" Außerdem würden sich viele fragen, was das geringere Übel sei: ein schlechterer Job oder die Arbeitslosigkeit.

Eingliederungsmaßnahmen des AMS sehr erfolgreich

Rolf Gleißner von der sozialpolitischen Abteilung der Wirtschaftskammer widerspricht: Schon jetzt sei die Eingliederungshilfe mit Lohnstützung durch das AMS ein sehr erfolgreiches Instrument. "Viele Betriebe, die es zunächst befristet mit Älteren, Langzeitarbeitslosen oder Behinderten versucht haben, behalten diese Menschen auch dann, wenn die Lohnstützung durch das AMS wegfällt", argumentiert er, "und diese Eingliederungshilfe wird jetzt noch aufgestockt."

Mit mehr Geld für den Arbeitsmarkt, um Ältere in Beschäftigung zu halten, auch wenn sie gesundheitlich angeschlagen sind, argumentiert man auch im Büro von Sozialminister Rudolf Hundstorfer: 750 Millionen Euro stehen bis 2016 zur Verfügung, aus alten und aus neuen Quellen. 150 Millionen werden aus der alten Teilzeitregelung frei, mehr als 200 Millionen kommen aus der neuen Unternehmerabgabe von je 110 Euro bei Kündigungen.

40.000 Menschen sollen bis 2016 von der verstärkten Eingliederungshilfe profitieren. 6000 Kandidaten für die Invaliditätspension sollen pro Jahr der gesundheitlichen Rehabilitation und der beruflichen Neuorientierung unterzogen werden. "Beschäftigungseffekte für Ältere werden auf jeden Fall erreicht", heißt es aus dem Ministerbüro.

Mehr Anstrengungen

der Unternehmen gefragt

Wifo-Expertin Mayrhofer vermisst jedoch eine ausreichende Beteiligung der Unternehmer bei der Rehabilitation. Sie fordert eine verpflichtende Beratung durch den Arbeitgeber, wenn jemand 40 Tage im Jahr im Krankenstand ist. "In den Niederlanden wird gemeinsam mit einem Arbeitsmediziner dann festgelegt, was auch das Unternehmen auf seiner Ebene für die Rehabilitation tun muss", sagt sie.

Aber kommt nicht alles ohnehin von selbst? Ein verbreitetes Argument ist die Demographie. Wko-Experte Gleißner erklärt, 2011 seien von den 55.000 zusätzlichen Beschäftigten rund 40.000 über 50 gewesen, während die Zahl der 15-Jährigen des Geburtsjahrganges 1993, die ins Berufsleben über eine Lehre einsteigen, zurückgehe. "Der Arbeitsmarkt dreht sich", sagt Gleißner. Der Fachkräftemangel werde dafür sorgen, dass Ältere länger gefragt sein werden.

Dem steht eine empirische Studie der Amerikaner Jonathan Gruber und David Wise vom MIT aus 2010 entgegen. Diese Studie stellt keinerlei Wechselwirkung zwischen der Beschäftigung älterer und junger Menschen fest: Von 10 untersuchten Industrieländern sei dort, wo es eine hohe Beschäftigung Älterer gibt, auch die Beschäftigung der Jungen sehr hoch, und zwar nicht nur in Zeiten der Hochkonjunktur.

Zum Beispiel: Wenn ein Sachbearbeiter in einer Versicherung länger arbeitet, bremst er damit keineswegs den Berufseinstieg eines Jungen. Denn der Junge wird nicht Sachbearbeiter, sondern Webdesigner. Oder anders herum: Wenn der ältere Sachbearbeiter in Pension geschickt wird, heißt das noch lange nicht, dass der Posten durch einen jüngeren nachbesetzt wird.

Das neue Pensionspaket wird Zwangspensionierungen und Kündigungen Älterer nicht zwangsläufig abstellen. Wegen des steigenden Pensionseintrittsalters wird die Altersarbeitslosigkeit zunehmen. Das Wifo schreibt in seiner Mittelfristprognose bis 2016: Trotz der schwachen Konjunktur gebe es zwar eine steigende Beschäftigung, aber auch eine Arbeitslosigkeit deutlich über sieben Prozent. Einer der Gründe: weniger Pensionseintritte. Mit andern Worten: Was sich die Pensionsversicherung spart, wird zumindest zum Teil das AMS an Arbeitslosengeld zahlen müssen. Der Arbeitsrechtler Wolfgang Mazal meint, für mehr Beschäftigung Älterer sei ein Mentalitätswandel bei Arbeitnehmern und Arbeitgebern nötig. Und das ist kein Sofortprogramm.