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Ziel: EU-Vertrag für Schuldenbremse und automatische Sanktionen.
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Brüssel. Die Märkte waren schon am Montagmorgen positiv gestimmt: Offenbar im Vertrauen auf die Sparpläne, die der italienische Premier Mario Monti präsentiert hatte, setzten die Risikoaufschläge für Italiens Staatsanleihen zu einer rasanten Talfahrt an und nahmen die spanischen in abgeschwächter Form mit. Die Hoffnung auf einen französisch-deutschen Rettungsplan aus der Krise schien sich durch den gemeinsamen Auftritt der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel und des französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy zu stabilisieren, die Börsenindizes zeigten durchwegs nach oben.
Am frühen Nachmittag hatten Merkel und Sarkozy ihre Einigkeit beschworen und erste Kompromisslinien ihres Anti-Krisenpakets präsentiert, dessen Details sie EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy am Mittwoch brieflich übermitteln wollen. Beim EU-Gipfel Ende der Woche soll es eine umfassende Antwort auf die Eurokrise geben: "Wir brauchen einen neuen (EU-)Vertrag", sagte der Franzose. Ziel sei die Einbindung aller 27 Mitgliedstaaten, wenn jemand aber nicht mitmachen wolle oder könne, werde auch nur mit den 17 Ländern der Eurozone vorangegangen, erklärten beide. Nicht-Euroländer stünde es offen, mitzumachen. Bisher hatte Paris 17, Berlin alle 27 präferiert.
Zudem sollen Sanktionen für Defizit- und Schuldensünder noch automatischer werden, als es der verschärfte Eurostabilitätspakt ("Sixpack") ohnehin schon vorschreibt, der Anfang kommender Woche in Kraft tritt. Die Einleitung von EU-Haushaltverfahren, die abgestufte Geldstrafen mit sich bringen, soll künftig nur noch mit qualifizierter Mehrheit verhindert werden können. Laut der bisherigen Verschärfung muss immer noch eine qualifizierte Mehrheit dem Verfahren zustimmen. Merkel war bisher für automatische Sanktionen "ohne politischen Spielraum" eingetreten, Sarkozy wäre gerne bei der aktuellen Regelung geblieben.
Schuldenbremse für alle
Einig sind sich die beiden, dass es künftig in allen Mitgliedsländern (die bei der Vertragsänderung mitmachen) einheitliche und funktionierende Schuldenbremsen geben muss. Laut Merkel ist das mit dem aktuellen Lissabonner Vertrag nicht machbar, in Deutschland selbst gibt es die Vorschrift seit 2009 in Verfassungsrang. Sarkozy spricht von einer "goldenen Regel, die zu einem ausgeglichenen Haushalt führt", wenn er die Schuldenbremse meint. Er hat noch Probleme mit der sozialistischen Opposition, diese als Verfassungsgesetz einzuführen - ähnlich wie Österreichs Regierung Faymann nach der Absage von Grünen und BZÖ am Montag.
Selbst die bisher strittige Rolle des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) sei geklärt worden, erzählten Merkel und Sarkozy. So könnten die Luxemburger Richter künftig keine einzelnen Haushalte von Euroländern aushebeln, die den gemeinsamen Regeln widersprechen; sehr wohl aber verbindlich prüfen, oder die Verpflichtung zur Schuldenbremse laut neuem EU-Vertrag in der nationalen Gesetzgebung wirksam umgesetzt wurde. Die nationale Souveränität und das Parlamentsvorrecht für die Budgetverabschiedung blieben so gewahrt, meinte Frankreichs Präsident, der einer EuGH-Rolle zuvor sehr skeptisch gegenübergestanden war.
Um ein halbes Jahr auf Ende 2012 vorgezogen werden soll nach dem Willen von Paris und Berlin der ständige Eurorettungsschirm ESM. Die Beteiligung von Banken und anderen privaten Investoren an Zahlungsausfällen soll abgeschwächt und an die Regeln des IWF angeglichen werden. ESM-Entscheidungen sollen künftig nicht mehr einstimmig sondern mit 85-Prozent-Mehrheit gefällt werden, damit einzelne Länder ESM-Hilfen nicht mehr blockieren können. Solange die Krise dauert, wollen sich die Euro-Staats- und Regierungschefs monatlich treffen, um gemeinsame Lösungen für Probleme wie zu wenig Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit sowie zu viel Arbeitslosigkeit zu besprechen.
EZB wird nicht gedrängt
Eurobonds lehnten Merkel und Sarkozy "als Lösung der Krise" ab. Fast wortgleich hatte sich aber Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso geäußert, der langfristig für die Gemeinschaftshaftung ist. Diesmal und auch künftig nicht äußern wollten sich die beiden Spitzenpolitiker zur Europäischen Zentralbank (EZB). Allgemein erwartet wird, dass die EZB nach einer Einigung der Euro- oder EU-Staaten am Freitag noch viel massiver als bisher Euro-Staatsanleihen aufkauft, um die Refinanzierungszinsen zu drücken. Für die EZB-Ratssitzung am Donnerstag erwarten Experten zudem eine Senkung des Leitzinssatzes von 1,25 Prozent auf 1 oder sogar 0,75 Prozent.