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Mehr Forschung, weniger Horror

Von Christian Lukner

Gastkommentare

Viele Berichte zum Thema Klimawandel sind sehr plakativ und wenig fundiert - eine Versachlichung wäre hier dringend notwendig.


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Es war zu erwarten, denn das Ritual vollzieht sich seit 20 Jahren immer wieder: Sobald ein Bericht des Weltklimarates (IPCC) erscheint, geistern Horrormeldungen, geschürt von selbsternannten Weltuntergangspropheten, durch die Medien. So auch diesmal bei der Vorstellung des neuesten ersten IPCC-Sachstandsberichtes, die nächsten folgen in Serie in den nächsten Monaten. Für weitere mediale Horrorberichte ist also bestens vorgesorgt. Diesen muss man entschieden entgegentreten, da sie ohne realen Hintergrund Angst und Schrecken verbreiten.

Was heißt es, wenn der Meeresspiegel um 26 Zentimeter ansteigt oder etwas mehr? Das ist zunächst eine Zahl, eine Rechengröße, ein Ergebnis einer Modellrechnung, von der kein Mensch sagen kann, ob sie je zutreffen wird. Hominiden existieren seit 1,7 bis 2 Millionen Jahren und überstanden in dieser unvorstellbar langen Zeit zahlreiche Eis- und Warmzeiten, ohne oder nur mit primitivster Technik. Wer könnte die Behauptung rechtfertigen, die Höhe des Meeresspiegels hätte auch nur annähernd etwas mit Katastrophe beziehungsweise menschengemachten Einflüssen zu tun?

Wir sind mit heutigen Erkenntnissen weit davon entfernt, das gesamte Klimasystem in all seinen Komponenten, Wechselwirkungen und zeitlichen Abhängigkeiten auch nur annähernd zu verstehen. Der neue Bericht bestätigt das, gibt aber leider keine befriedigende Antwort auf die alles entscheidende Frage, warum die Erderwärmung seit 15 Jahren mehr oder weniger stagniert, obwohl gerade in diesem relativ kurzen Zeitraum fast 40 Prozent allen Kohlendioxids in die Atmosphäre emittiert wurden. Aus dem Bericht lassen sich nur Vermutungen ableiten, gesicherte physikalische Erkenntnisse eher nicht.

Wenn man in den Verlautbarungen von Erwärmung spricht, betrachtet man meist nur die Atmosphäre, die anderen Teile des Klimasystems wie Landmassen und Ozeane werden schlichtweg ignoriert. Dabei weiß jedes Kind, dass Wasser weitaus mehr Wärme aufnehmen kann als Luft. Zahlreiche andere Austauscheffekte zwischen Wasser, Luft und Boden kommen ebenso hinzu wie unsere Wissenslücken auf dem Gebiet der Sonnenforschung und der solaren Strahlungseinflüsse auf das Erdsystem insgesamt.

Auch sind genaue Auswirkungen des Klimawandels auf die biologische Vielfalt bis heute kaum nachweisbar, obwohl man natürlich weiß, dass die Temperatur eine wichtige Triebfeder für alle Lebens- und Wachstumsprozesse darstellt.

Die Konsequenz aus dem Bericht, der jedem zur Lektüre empfohlen sei, kann nur lauten: Wir müssen wegkommen von pseudowissenschaftlichen Interpretationen, denn daraus resultierende Maßnahmen könnten uns teuer zu stehen kommen. Die Förderung der Klimaforschung, die sich auf wesentliche bisher unverstandene Klimamechanismen konzentriert, muss in den Mittelpunkt gestellt werden. Und schon jeder Schüler sollte eine Art Klimaschutz-Grundbildung erhalten. Wir müssen andere Gesellschaftsprobleme bekämpfen, wie Gleichgültigkeit und Konsumrausch, die mit der Verschwendung von Energie und Rohstoffen einhergehen.

Christian Lukner ist Regierungsdirektor im Bundesumweltministerium Bonn.