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Mehr Freiraum für die Mehrwertsteuer

Von WZ-Korrespondentin Martyna Czarnowska

Politik

EU-Kommission will Ländern mehr Flexibilität bei Festlegung der Abgabe ermöglichen - und fordert "schwarze Liste" für Steueroasen.


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Brüssel. Ob Absprachen mit den Behörden in Luxemburg oder Betrügereien in Panama: Die Enthüllungen über das Ausmaß von Steuerflucht und -hinterziehung durch internationale Konzerne oder einzelne Personen lösen regelmäßig Empörung in der Öffentlichkeit aus. Dem schließt sich so mancher Politiker an. "Die Menschen haben solche Praktiken satt", erklärte etwa der für Steuerfragen zuständige EU-Kommissar Pierre Moscovici. Solch ein Vorgehen sei "unmoralisch".

Daher forderte der Franzose die EU-Staaten dazu auf, sich innerhalb der nächsten sechs Monate auf eine gemeinsame "schwarze Liste" für Steuerparadiese zu einigen. Denn bisher würden nur acht Mitglieder Panama als eine solche Oase anführen. Ein einheitliches Vorgehen gegen Steuerflucht samt Sanktionen gegen nicht kooperative Länder sei aber nötig, argumentierte Moscovici.

Die EU-Kommission selbst möchte nach eigenen Aussagen den wachsenden Druck zu größerer "Steuer-Fairness" nutzen. Diese sieht sie nicht zuletzt durch mehr Transparenz gesichert. Die Behörde hat bereits Vorschläge zur Offenlegung bestimmter Angaben von Unternehmen sowie zum Austausch von Informationen zwischen Steuerbehörden präsentiert. Bestenfalls haben dann nicht nur Ämter Zugang zu den Daten, sondern werden diese öffentlich gemacht. Diese Pläne will Moscovici in der kommenden Woche präzisieren.

Doch gibt es in der Union auch noch andere Lücken zu schließen. Eine davon macht immerhin 170 Milliarden Euro aus. So beziffert Moscovici die Differenz zwischen dem zu erwartenden Betrag der Mehrwertsteuer (MwSt) und den tatsächlichen Einnahmen. Allein der grenzüberschreitende Betrug verursache in der EU Einbußen in Höhe von rund 50 Milliarden Euro jährlich. Dabei ist die Mehrwertsteuer für die Staaten eine wichtige Einnahmenquelle: Im Jahr 2014 floss so fast eine Billion Euro in die öffentlichen Budgets.

Tampons und Tiernahrung

Daher will die Kommission das System reformieren, die Vorschriften entschlacken und damit Unternehmen Betrügereien erschweren. Zu dem Zweck erarbeitete sie einen Aktionsplan, den Moscovici in Brüssel vorstellte. Auch dabei setzt die Behörde auf besseren Informationsaustausch zwischen den Ländern und auf die Schaffung eines "einheitlichen Steuerraums".

Auf der anderen Seite könnten aber die Regierungen mehr Freiraum bei der Gestaltung der MwSt erhalten. Bisher gibt es nämlich Mindestsätze. Für die meisten Produkte gelten 15 Prozent, und für besonders gesellschaftsrelevante Waren und Dienstleistungen fünf Prozent. Ansonsten sind die Steuersätze unterschiedlich; in Österreich sind es 20, in Deutschland 19 Prozent. Ausnahmen davon sind in zahlreichen Listen festgelegt.

Dieses Verzeichnis könnte nun erneuert oder ganz abgeschafft werden, schlägt die Kommission vor. Moscovici wären denn auch einheitliche Kriterien statt Listen lieber. Denn bisher weist das komplizierte System auch Kuriositäten auf. So gibt es in Großbritannien zwar reduzierte MwSt-Sätze für Rasierklingen, aber nicht für Tampons. Und die Möglichkeit zur Steuerbefreiung für solche Produkte hat Premier David Cameron sogar einmal zum Gipfelthema gemacht. In anderen Ländern müssen etwa für Tiernahrung weniger Abgaben gezahlt werden als für Babynahrung.

Bei den Ausnahmen will die Kommission den Ländern nun mehr Autonomie gewähren. Das Verzeichnis für ermäßigte MwSt-Sätze wäre damit obsolet. Österreich hat sowieso im Rahmen der Steuerreform einige reduzierte Sätze von 10 auf 13 Prozent angehoben. Das macht sich etwa bei Hotelübernachtungen oder beim Theaterbesuch bemerkbar.