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Mehr Freizeit statt mehr Geld

Von Marina Delcheva

Wirtschaft

Die Vier-Tage-Woche sorgt für emotionale Diskussion. In Österreich werben immer mehr Firmen mit mehr Freizeit.


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Weniger Arbeit, mehr Freizeit, gleicher Lohn - vergangene Woche hat eine Studie aus Island zur Vier-Tage-Woche für reichlich Diskussionen gesorgt. Dort wurde die Wochenarbeitsarbeitszeit von 2.500 öffentlich Bediensteten von 40 auf 35 und 36 Stunden reduziert. Fazit: Die Work-Life-Balance und Gesundheit der Mitarbeiter habe sich verbessert, die Produktivität sei dabei nicht gesunken.

Nun ist auch in Österreich angesichts der forschreitenden Digitalisierung und der weiterhin hohen Arbeitslosigkeit eine emotionale Diskussion über die Vier-Tage-Woche entbrannt. Die Ergebnisse aus dem isländischen öffentlichen Sektor lassen sich aber nicht ohne Weiteres auf jede Branche und jeden Betrieb in Österreich umlegen. Und dennoch: Angesichts des steigenden Fachkräftemangels und den Forderungen vieler Mitarbeiter nach mehr Work-Life-Balance ködern immer mehr Betriebe mit mehr Freizeit, statt mit mehr Gehalt.

30 Stunden, voller Lohn

"Wir haben 2018 als erster Betrieb in Österreich die 30-Tage-Woche bei vollem Lohnausgleich eingeführt", erzählt Klaus Hochreiter, Geschäftsführer der Mühlviertler Marketingfirma "eMagnetic". Der Grund für diese Umstellung war Fachkräftemangel. Stellen, vor allem für höher qualifizierte, erfahrene Mitarbeiter, seien über Wochen und Monate unbesetzt geblieben, Kundenaufträge liegen geblieben. "Wir mussten den Mitarbeitern einen Mehrwert bieten." Statt mehr Gehalt gab es mehr Freizeit. Inzwischen habe sich die Bewerberzahl verzehnfacht, vor allem Jungeltern würden sich verstärkt bewerben. Der Umsatz habe sich fast verdoppelt.

Eine Art Vier-Tage-Woche light bietet auch der Thermenkomplex Bad Waltersdorf seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern an. Vollzeitkräfte können ihre Arbeitsstunde auf vier Tage aufteilen, statt auf fünf, und hätten drei Tage frei, erklärt Geschäftsführer Gernot Deutsch. "Wenn sich junge Menschen heute bei uns bewerben, fragen sie zuerst nach der Work-Life-Balance, und erst dann nach dem Gehalt", sagt er. Derzeit sei man dabei, einen Vier-Tage-Dienstplan für Abteilungen des Unternehmens zu erarbeiten.

Auch in der Therme und dem dazugehörigen Thermenhotel sei der Fachkräftemangel zu spüren, vor allem an Mitarbeitern aus Ungarn oder der Slowakei. Mehr freie Tage am Stück seien jedenfalls ein Anreiz für Mitarbeiter.

In beiden Unternehmen sei die Mitarbeiterzufriedenheit und Motivation spürbar gestiegen, die Fluktuation und die Ausfälle seien gesunken. "Wenn wir individuell abgestimmte Arbeitszeitmodelle anbieten können, bleiben die Leute länger", meint Deutsch.

Silvia Hruska-Frank von der Arbeiterkammer merkt an, dass eine Umschichtung der Wochenarbeitszeit keine Verkürzung der tatsächlichen Arbeitszeit ist, und warnt vor gesundheitlichen Folgen, wenn man zu viele Stunden am Stück arbeitet. "Ab der neunten Arbeitsstunde steigt das Unfallrisiko erheblich, die Produktivität sinkt. Auf Dauer ist das nicht sehr gesund", sagt sie. Grundsätzlich sei weniger Arbeit und mehr Freizeit gesund.

Eine Vollzeitbeschäftigte in Österreich arbeitet laut Eurostat im Schnitt 41,1 Stunden pro Woche. Damit liegt Österreich EU-weit an dritter Stelle hinter Malta und Zypern. Dänen arbeiten mit 37 Stunden pro Woche am wenigsten.

Insgesamt ist die Arbeitszeit in den vergangenen 200 Jahren aufgrund der Technologisierung, von Produktivitätszuwächsen und nicht zuletzt durch den gesellschaftlichen Wandel stark gesunken. Arbeitete ein Europäer im 19. Jahrhundert noch gut 80 Stunden pro Woche, sind es heute 40.

Reduktion als Anreiz

"Wir werden auf Dauer nicht um kürzere Arbeitszeiten herumkommen", ist Deutsch überzeugt. Auch, weil junge Fachkräfte heute mehr Wert auf Freizeit legen als früher. Kostengleich oder gar günstiger ist eine Arbeitszeitverkürzung für die Betriebe, zumindest kurzfristig, nicht. "Am Anfang hat die 30-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich natürlich höhere Kosten verursacht", sagt Hochreiter.

"Seriöserweise kann man die Mehrkosten, die eine Arbeitszeitreduktion bei vollem Lohn bringt, nicht berechnen", sagt Marcell Göttert vom wirtschaftsliberalen Institut Agenda Austria. Dafür seien die Rahmenbedingungen in den Betrieben und Branchen zu unterschiedlich. Auch die Produktivität der einzelnen Mitarbeiter hängt in vielen Branchen von externen Faktoren ab, nicht nur von der Arbeitszeit, etwa von der Auslastung in einem Restaurant oder im Krankenhaus.

"Eine gesetzlich verordnete Arbeitszeitverkürzung ist einfach nicht in allen Branchen schnell umzusetzen", sagt er. Auf betrieblicher Ebene und in Absprache zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer sei das aber sicher sinnvoll.