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Mehr Freude über Blech als über Bronze

Von Christian Mayr

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Platz drei war für Superstar Lindsey Vonn trotz der Umstände eine Enttäuschung - was zu einer wohl einmaligen Konstellation führte.


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"Ich habe gewusst, dass das keine optimale Fahrt war, teilweise war ich vier Meter von der Torstange entfernt. Deswegen konnte ich im Ziel auch nicht wirklich lachen." Welcher Skistar hat das gesagt, nachdem er Gold verfehlt, aber dennoch eine WM-Medaille im Super G gewonnen hatte? Es war eben nicht Lindsey Vonn, sondern Hermann Maier. 2003, nur wenige Wochen nach dem Ende der fast zwei Jahre währenden Zwangspause aufgrund seines Motorradunfalls, fuhr der Herminator beim Auftaktbewerb der Ski-WM in St.Moritz aufs Stockerl, durfte sich Silber mit Bode Miller teilen und war, trotz dieses, Monate zuvor noch als völlig illusorisch zu bezeichnenden Comebacks mit Edelmetall, nicht zufrieden. Maier damals deshalb, weil er einen Abschnitt einfach schlecht gefahren war - und 77Hundertstel Rückstand auf Weltmeister Stephan Eberharter für einen ehrgeizigen und erfolgsverwöhnten Skisportler einfach viel Holz waren. Und so wiederholt sich die Geschichte nun in Gestalt von Lindsey Vonn bei ihren Heim-Titelkämpfen in Vail/Beaver Creek. Hätte man der 30-Jährigen noch vor einem halben Jahr gesagt, dass sie die WM mit einer Bronzemedaille beginnen würde, hätte sie diese damals gewiss mit Handkuss und Freude genommen. Aber eine, die schon Olympia- und WM-Medaillen in allen Farben, dazu Weltcup-Kristallkugeln in allen Größen zu Hause hat, eine solche herausragende Spitzenathletin quält sich nach zwei schweren Knieverletzungen natürlich nicht zurück, um sich dann Bronze umhängen zu lassen. Nur Bronze! Um die Lächerlichkeit von 15 Hundertstel hinter der neuen Weltmeisterin Anna Fenninger. Das säuerliche Gesicht von Vonn am Dienstag im Zielraum mag bei vielen zurecht unsympathisch gewirkt haben, zumal sie einer Teilschuld für ihr Scheitern auch den ungünstigen Windverhältnissen gegeben hat (dass sie oben einfach auch nicht gut gefahren ist, hat sie übrigens nicht erwähnt). Eine solche Einstellung verrät aber auch viel über die Psyche solch herausragender Athleten, die sich eben nicht mit irgendeiner Medaille zufrieden geben und nicht bloß damit, dass sie die widrigen Verhältnisse gesund überstanden haben - vor zwei Jahren in Schladming war Vonn ja beim SuperG im Nebel schwer gestürzt -, sondern dass für sie einzig und allein der Sieg zählt. Gerade in der Heimat, gerade in den USA, wo Bronze schon gar keinen Glanz mehr hat. Sympathiepunkte gewinnt man mit einer solchen Verbissenheit bei den neutralen Beobachtern, insbesondere in Europa, natürlich nicht. Vor allem dann, wenn wie am Dienstag die Kontraste deutlich wie nie sichtbar werden. So ist fast einmalig in der WM-Geschichte, dass sich die Viertplatzierte mehr freute als die Dritte. Österreichs 22-jährige WM-Debütantin Cornelia Hütter fehlten auch nur elf Hundertstel zur Medaillensensation. "Im Ziel habe ich mich noch geärgert. Aber jetzt, das war voll cool. Es war sehr schön, diese Stimmung mitzuerleben", sagte die Steirerin, die einen beherzten Lauf in den Schnee gesetzt hatte. Alles eben eine Frage der Perspektive: Hütter wird wohl noch viele Möglichkeiten bekommen, auf Medaillenjagd zu gehen, bei ihrer ersten WM gilt es vor allem, wertvolle Erfahrungen zu sammeln. Für Vonn ist es die erste und einzige Chance, vor heimischem Publikum das von allen erwartete Gold zu holen. Und so glänzte Blech diesmal sogar schöner als Bronze.