Mehr Dankbarkeit gegenüber dem Sozialstaat wäre angebracht. Und mehr Gedanken an die kommenden Generationen, denen wir einen Schuldenberg hinterlassen.
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"Fragen wir uns nicht, was wir aus dem Staat herausholen können, sondern was wir in ihn hinein investieren können!" Dieser Satz ist sinngemäß von John F. Kennedy - ich spreche ihn mit Überzeugung nach.
Der Staat kann finanziell nur existieren, wenn mehr Menschen in ihn investieren als den Staat ausschöpfen. In dieser Hinsicht ist in unseren Ländern eine Schieflage entstanden, die letztendlich zur katastrophalen Verschuldung führt.
In den ersten 25 Jahren seines Lebens wird der Mensch überwiegend vom Staat gefördert oder erhalten: Mutterschutz, Erziehungsurlaub, Kindergeld, Familienbeihilfe, kostenlose Kindergärten, kostenlose Schulen, kostenlose Universitäten . . .
In den letzten Jahrzehnten des Lebens ebenso: Pension, Altersheim, Pflege . . .
Lediglich in den wenigen Jahrzehnten der Lebensmitte trägt der Bürger finanziell zum Staatsbudget bei. Hier müssen noch herausgerechnet werden: die Gruppe der Nicht-Arbeitenden, die Schwarz-Arbeitenden und die kleine Gruppe jener extrem Reichen, die Steuerschlupflöcher nutzen, ihre Geschäfte ins Ausland verlagern oder Steuern hinterziehen (Steuerberater bestätigen dies).
Es bleibt also die kleine Gruppe der legal arbeitenden Steuerzahler im mittleren Alter. Und genau diese Bürger werden von der Politik geschröpft. Eigentlich erstaunlich, dass es hier noch nicht zu Revolten gekommen ist.
Empfänger von staatlichen Zuwendungen zu sein, bedeutet leider nicht, zufrieden und dankbar zu werden. So ist der Mensch. Bekommt er zwölf Monatszahlungen, fordert er dreizehn und beklagt sich, weil es nicht vierzehn sind. Dieses Verhalten wird von den Gewerkschaften unterstützt. Wer ist schon einmal auf die Idee gekommen, beim Magistrat anzurufen und sich für die Familienbeihilfe zu bedanken? Allein schon die Frage klingt absurd.
Warum eigentlich? Es gibt keinen einzigen Grund gegen Dankbarkeit. Unterstützt zu werden führt dagegen leicht zu Lethargie, Phlegma und zu Abhängigkeit. Genau das ist die Ausgangslage für eine breite Wählerschaft für die meistbietenden Parteien.
"Fragen wir nicht, was wir aus dem Staat herausholen können, sondern was wir ihm anbieten können!" Ich habe es gewagt, bei den Studentendemonstrationen im Audimax diesen Satz ins Mikrofon zu sagen. Es sind keine Tomaten geflogen. Vielleicht auch nur, weil keiner so schnell welche bei der Hand hatte beziehungsweise weil das Gemüse im Gang für die Suppenküche gebraucht wurde. Vielleicht hat man mich aber auch verstanden. Es geht mir um die nächste Generation.
Ich habe die Vision eines Staates, mit dem wir uns identifizieren, weil wir uns engagieren, weil wir uns einbringen, weil wir mitgestalten und bereit sind, zu geben und auch zu sparen. Wir alle.
Und ich finde es nicht fair, jetzt nur an sich zu denken und der nächsten Generation einen Schuldenberg zu hinterlassen. Das ist mein Anliegen.
Lucia Kautek ist Ärztin für Kinder und Jugendliche.
Dieser Gastkommentar gibt ausschließlich die Meinung des betreffenden Autors wieder und muss sich nicht zwangsläufig mit jener der Redaktion der "Wiener Zeitung" decken.