"Gesamtschule ist für Niederösterreich der falsche Weg." | Bund soll Bildungsziele setzen, Finanzierung und Organisation sollen Länder übernehmen. | Wien/St. Pölten. In den kommenden Monaten zeichnet sich ein Machtkampf um die Oberhoheit in der Schulverwaltung zwischen Bund und Ländern ab. Geht es nach den ÖVP-geführten Ländern, soll sich der Bund darauf beschränken, Bildungsstandards und -ziele sowie die Lehrpläne vorzugeben. Wie diese Vorgaben jedoch umgesetzt werden, soll den Ländern überlassen bleiben.
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Wortführer einer stärkeren Autonomie der Länder in Schulfragen ist Niederösterreich, das derzeit den Vorsitz in der Landeshauptleutekonferenz inne hat. Hier wehrt man sich vor allem, die Probleme Wiens mit der Hauptschule auf ganz Österreich zu übertragen: "Es gibt Regionen, wo eine Gesamtschule für alle Zehn- bis 14-Jährigen der richtige Weg ist, und solche, wo eine schulische Vielfalt die beste Lösung ist. Man kann die Zustände in Wien nicht auf das ganze Land umlegen", erklärt der für Schulfragen zuständige Landesrat, Johann Heuras.
Der ÖVP-Politiker ist überzeugt, dass der bundespolitische Streit um die Einführung einer flächendeckenden gemeinsamen Schule der Zehn- bis 14-Jährigen am Problem vorbeigeht, da die Schulqualität weniger mit der Organisationsform als mit der inneren Qualität zusammenhänge. In Niederösterreich gebe es Regionen, wo das Schulsystem perfekt funktioniere, das solle nicht mutwillig zerschlagen werden.
6-jährige Volksschule "ein Missverständnis"
Geht es nach dem Schulmodell, das Niederösterreich propagiert, so sollen die im Zuge der Neuen Mittelschule zusätzlich verteilten Mittel für alle Hauptschulen zugänglich sein. Damit will Heuras die Hauptschule zu einer völlig offenen Drehscheibe für alle Zehn- bis 14-Jährigen machen - inklusive einer Garantie für einen Aufstieg ins Gymnasium, "eine bloße Berechtigung", so Heuras, "ist mir hier zu wenig".
Zu einer Gesamtschule sollen diese dennoch nicht ausgebaut werden, eine solche sei "für Niederösterreich der falsche Weg". Daher will er auch keinesfalls am Gymnasium in der bestehenden Form rütteln. Zum Missverständnis erklärt der Landesrat Berichte, Niederösterreich wolle eine sechsjährige Volksschule einführen. Tatsächlich soll lediglich die Möglichkeit geschaffen werden, die Bildungsentscheidung um zwei Jahre nach hinten zu schieben. An der vierjährigen Volksschule soll sich demnach nichts ändern.
Eine Stärkung der Länderautonomie in Schulfragen kommt politisch einer Kampfansage an Bildungsministerin Claudia Schmied gleich, die für eine flächendeckende Einführung der Gesamtschule eintritt. Wie realistisch ist also eine geschlossene ÖVP-SPÖ-FPK-Länderfront in dieser Frage? Das zu beurteilen, traut sich Heuras nicht zu, er wünscht sich aber jedenfalls, über diesen Weg intensiv nachzudenken.
Und er fühlt sich durch das Beispiel Finnlands, das in Bildungsfragen immer als Vorbild zitiert wird, bestätigt: Auch dort liege Finanzierung und Organisation in der Hand der Regionen, was auch eine klare Zuordnung der Verantwortung sicherstelle. Durch die Vorgabe von Standards und Bildungszielen durch den Bund werde zudem sichergestellt, dass es keine Übertrittsprobleme zwischen einzelnen Ländern gibt, ist Heuras überzeugt.
Wien hält sich noch bedeckt
Schmied hat sich in der Vergangenheit wiederholt gegen eine Verländerung des Schulsystems ausgesprochen. Auf Initiative von Bundeskanzler Werner Faymann und Schmieds soll im Herbst ein großer Schulgipfel stattfinden.
Ob es in der Schulfrage tatsächlich zu einer gemeinsamen Länderfront kommt, wird wohl von Wien abhängen, wo die Probleme mit der Hauptschule am drängendsten sind. Hier will man sich jedoch noch nicht festlegen: "Wir warten auf den detaillierten Vorschlag des Bundes und dann schauen wir weiter", erklärt Bildungsstadtrat Christian Oxonitsch.