Zum Hauptinhalt springen

Mehr Geld für arme Schulen?

Von Katharina Schmidt

Politik

Neues Finanzierungsmodell könnte helfen, Bildungserfolg von sozialer Herkunft unabhängig zu machen.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 10 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Wien. Österreichs Bildungssystem neigt dazu, soziale Unterschiede einzubetonieren, statt sie auszugleichen. Ein Blick auf die nackten Zahlen: Laut dem Nationalen Bildungsbericht des Bifie aus 2012 liegt Österreich bei der Abhängigkeit der Leseleistung vom sozioökonomischen Status der Eltern unter den ersten drei Ländern. Im Klartext: Die Leseleistung der Kinder hängt hierzulande in einem hohen Maße von der wirtschaftlichen Lage der Eltern ab. In Ländern mit Gesamtschulsystemen ist diese Rate viel niedriger, aber auch die Niederlande sind weit abgeschlagen, obwohl dort die Entscheidung für die weitere Bildungskarriere auch schon relativ früh - mit zwölf Jahren - getroffen werden muss.

Die über die Jahre besser werdenden Ergebnisse bei Bildungstests wie Pisa und eine stärkere Unabhängigkeit des Bildungserfolgs von der sozialen Herkunft führen die Niederländer auch auf eine neue Art der Finanzierung des Schulsystems zurück. Dort werden Schulen, die einen höheren Anteil an Kindern haben, deren Eltern nur über niedrige Bildung verfügen, finanziell besser ausgestattet als andere.

Ein ähnliches Modell für eine "indexbasierte Mittelverteilung" hat der Linzer Soziologe Johann Bacher jüngst bei einer von Arbeiterkammer, Armutskonferenz und der Initiative "Bildung grenzenlos" veranstalteten Tagung unter dem Motto "Zukunft trotz(t) Herkunft" vorgestellt. Die Grundidee dahinter: Man berechnet einen Sozialindex für jede Schule, der zwischen 100 und 100 plus x liegt, wobei "x" die Mittel sind, die zusätzlich in den sozialen Ausgleich investiert werden. Es dürfe nicht darum gehen, dass die Schulen eine geringere Basisfinanzierung haben, sondern darum, wie viel Geld zusätzlich zur Verfügung gestellt werden soll. "Es ist eine politische Entscheidung, wie viel eine Gesellschaft bereit ist, in den sozialen Ausgleich zu investieren", so Bacher.

Nach welchen Kriterien die zusätzlichen Gelder an die Schulen verteilt werden, sei noch zu untersuchen. Während die Niederlande sich eben ausschließlich am Bildungsstand der Eltern orientieren, werden in Hamburg oder in Kanada mehrere Faktoren zur Berechnung herangezogen. Neben dem Bildungsstand können das der Beruf der Eltern oder das Haushaltseinkommen sein.

Mögliche Indikatoren für Österreich hat das Institut für Höhere Studien (IHS) im Auftrag der Arbeiterkammer ermittelt: Neben individuellen Faktoren wie Bildungsstand oder Arbeitslosigkeit spielen laut IHS auch die Wirtschaftslage und die Arbeitslosigkeit in der Region, in der die Schule angesiedelt ist, eine Rolle für die Leistung der Schüler.

Vergibt man einmal das Geld nach sozialen Kriterien, wovon auch die besseren Schüler in der Schule profitieren, stellt sich noch die Frage, wofür die Mittel aufgewendet werden sollen.

Zentraler Maßnahmenkatalog oder mehr Schulautonomie?

Auch hier gibt es kein einheitliches Rezept: Die Niederländer ermöglichen den Schulen zwar eine gewisse Autonomie in der Auswahl der Maßnahmen, diese müssen aber aus einem vorgegebenen und von Experten entwickelten Katalog ausgesucht werden. Das können zum Beispiel Sprachförderungsmaßnahmen oder Verbesserungen in der Schulraumarchitektur sein. "Die Gefahr ist, dass die Schulen dann nur mehr Lehrer anstellen und die Klassen verkleinern, was oft keine Verbesserungen bringt", sagt Martin Schenk von der Armutskonferenz.

Bacher will die Entscheidung über die Mittelverteilung dennoch im Rahmen einer gestärkten Autonomie den Schulen überlassen. Und zwar solle ein etwa um Sozialarbeiter erweiterter Schulgemeinschaftsausschuss entlang weniger Leitlinien darüber entscheiden können, was mit dem Geld geschieht. Er wies statistisch nach, dass die Kompetenzen der Schüler höher sind, je autonomer die Schule ist.

Für Schenk ist neben der Frage nach dem Grad an Autonomie für die Schulen noch eine weitere zu klären: jene der Schulfinanzierung. Denn derzeit laufe diese völlig undurchsichtig über den Finanzausgleich - ohne, dass klare Kriterien ersichtlich wären. Sind diese beiden Fragen einmal geklärt, wünscht sich Schenk ein Pilotprojekt - wobei die Erfahrungen aus Kanada zeigten, dass sich erst nach sechs oder sieben Jahren die Leistungen der Schüler tatsächlich bessern, sofortige Auswirkungen habe das System aber auf das Schulklima.

Bildungsministerin Gabriele Heinisch-Hosek zeigte sich interessiert an einer Indexfinanzierung und will das Thema auch mit den Ländern besprechen.