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Ohne harte Verhandlungen zusätzliche Milliarden fürs EU-Budget anzubieten, ist nicht im nationalen Interesse Österreichs oder Deutschlands.
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Wenn man als ausländischer Tourist auf dem Großen Basar von Istanbul dem Verkäufer eines anatolischen Doppelnischenteppichs noch vor Beginn der Preisverhandlungen ankündigt, man sei auf jeden Fall bereit, mehr zu bezahlen als verlangt, wird man erstens keinen sehr vorteilhaften Deal zustande bringen und zweitens vermutlich als der Dolm des Jahrzehntes in die Annalen des Basars eingehen.
Umso erstaunlicher und befremdlicher ist, dass sowohl die deutsche Regierung als auch einzelne österreichische Spitzenpolitiker wie der bekannte EU-Parlamentarier Othmar Karas angesichts der in den nächsten Wochen beginnenden Verhandlungen um das EU-Budget 2021 und die Folgejahre genau diese törichte Position vertreten. "Wir sind auch zu höheren Beiträgen Deutschlands zum EU-Haushalt bereit", haben sich CDU, CSU und SPD explizit in ihr Koalitionsübereinkommen geschrieben. Eine eigentümliche Sicht der Dinge, der sich ausgerechnet der ÖVP-Politiker Karas flugs angeschlossen hat: "Jeder muss mehr einzahlen - auch Österreich."
Nun ist das ein Standpunkt, den man ja ganz grundsätzlich zwar nicht richtig finden muss - wie etwa der österreichische Kanzler und die meisten nordischen Staaten -, aber durchaus richtig finden kann. Immerhin fällt mit den Briten viel Mitgliedsbeitrag weg, und die EU soll zusätzliche Aufgaben übernehmen. Die Crux ist nur: Selbst wenn man den Standpunkt vertritt, dass Österreich oder Deutschland mehr zahlen sollen, ist es ein grober Verstoß gegen das nationale Interesse des eigenen Landes, dies schon vor Beginn der basarartigen EU-Budgetverhandlungen öffentlich zu machen - und damit den eigenen Verhandlungsspielraum dramatisch einzuschränken. Das maximiert nämlich die Gefahr für die Steuerzahler, heftiger geschoren zu werden, als bei kluger Verhandlungsstrategie nötig gewesen wäre. So etwas lässt man sich, gegen möglichst viele Zugeständnisse wo auch immer es geht, allenfalls abhandeln, statt es freiwillig anzubieten.
Es wäre interessant zu wissen, ob Politiker wie Karas auch privat bei Auto-, Wohnungs- oder sonstigen Käufen so verfahren und freiwillig mehr zahlen, als unbedingt nötig ist. Vermutlich eher nicht. Wir haben es hier wohl mit dem Phänomen "OPM" zu tun: "Other People’s Money", das Geld anderer Leute, das sich erfahrungsgemäß stets viel großzügiger ausgeben lässt als das eigene.
Man kann da durchaus von einem Geschäft zu Lasten Dritter sprechen: Im Milieu der Brüsseler Berufseuropäer bringt es natürlich enormes Ansehen und Schulterklopfen, ganz freiwillig Geld für das EU-Budget anzubieten, das den Steuerzahlern daheim abgeknöpft wird. So wird man ein "großer Europäer", moralisch weit über den kleinlichen nationalen Interessen verhafteten Provinzpolitikern schwebend.
Politiker, die so handeln, erweisen damit aber letztlich auch dem Projekt der europäischen Einigung einen Bärendienst. Denn sie erzeugen den Eindruck bei den Wählern daheim, dass sie nicht deren berechtigtes Interesse an einer möglichst effizienten und kostengünstigen EU vertreten, sondern im Gegenteil die Interessen eines Apparates, der nie genug Geld kriegen kann.
Damit werden jene Vorurteile gegen "Brüssel" geschürt, die Politiker wie Karas sonst stets beklagen.