Zum Hauptinhalt springen

Mehr Geld fürs EU-Budget?

Von WZ-Korrespondent Andreas Lieb

Politik

Die EU-Kommission stellt der Ukraine 50 Milliarden Euro an neuen Finanzhilfen in Aussicht und wünscht sich eine Aufstockung des EU-Haushalts. Die Mitgliedsländer sind nicht erfreut.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 1 Jahr in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Für Budgetkommissar Johannes Hahn ist es eine "zielgerichteten Überarbeitung" des langjährigen Finanzrahmens der EU. Und den Wunschrahmen dafür hat schon Präsidentin Ursula von der Leyen abgesteckt. "Wir bitten nun die Mitgliedsländer um 66 Milliarden Euro." Hahn präzisierte den Betrag mit 65,8 Milliarden Euro und betonte, die Basis dafür sei keine künstliche Hochrechnung, sondern eine "sorgfältige Identifizierung der Anforderungen".

Der Grund liegt auf der Hand: Die Multi-Krisen der letzten Jahre, von der Corona-Pandemie über Energiekosten und Inflation bis zum Krieg gegen die Ukraine haben das EU-Budget massiv belastet. Oder, wie es von der Leyen ausdrückte: "Wir haben jeden Euro organisiert, den wir konnten." Bisher flossen rund 30 Milliarden Euro unter dem Titel Ukraine; für die nächsten vier Jahre sind rund 50 Milliarden Euro allein für das Land vorgesehen, in Form von Darlehen und Zuschüssen. Damit soll nicht nur der Ukraine eine Vorhersehbarkeit und brauchbare Perspektive gegeben werden, es soll auch ein Signal für andere Geldgeber sein. Die Zahlungen werden an Reformen zur Vorbereitung des EU-Beitritts des osteuropäischen Staates geknüpft.

Das EU-Budget für den Zeitraum von 2021 bis 2027 umfasst einen Gesamtbetrag von rund 1,1 Billionen Euro. Weder die Pandemie, noch der russische Krieg konnten vorhergesehen werden; die galoppierende Inflation bringt die Rückzahlungspläne aus dem Lot.

Zusätzliche Mittel für Migration

Nun wurde, wie üblich, eine Art Halbzeitbilanz gezogen, mit weitreichenden Forderungen. Zwei große Posten, die Agrarpolitik und der Kohäsionsfonds, sollen nicht angerührt werden - Hahn erinnerte daran, dass gerade diese beiden Punkte zu den größten Streitfällen unter den Mitgliedsländern geführt hätten. "Und jetzt brauchen wir bis Herbst eine Einigung", meinte er.

Doch nun geht es nicht nur um die Unterstützung der Ukraine; die Kommission schlägt auch noch eine Aufstockung um 15 Milliarden Euro für die Bereiche Migration und Nachbarschaftspolitik vor sowie weitere 10 Milliarden Euro zusätzlich für eine Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit. Dahinter steckt der Wunsch nach mehr Unabhängigkeit der EU vor allem von China und von Russland. Von der Leyen sprach von ihrer Reise nach Lateinamerika vergangene Woche und beispielhaft von den Lithium-Vorkommen in Argentinien und Chile. Später erinnerte der Hohe Außenbeauftragte Josep Borrell an etwas, was sich zuletzt ohnehin in aller Deutlichkeit gezeigt hatte: Die Abhängigkeiten von Drittländern, etwa bei Energie oder Rohmaterialien, könnten jederzeit als Hebel genutzt werden.

Unter dem Titel Migration wiederum soll nicht nur das Asylwesen in der EU gestärkt werden, sondern auch die Zusammenarbeit mit Drittstaaten und die weitere Unterstützung jener Länder, die große Flüchtlingskontingente beherbergen: Syrien, Libanon, Jordanien, die Türkei.

Die Kommissionspräsidentin räumte ein, dass ihrer Behörde bewusst sei, dass auch die Mitgliedsländer derzeit ihre Budgets überarbeiten würden: "Es ist völlig klar, dass jedes Land von der Krise betroffen ist." Um nun in möglichst kurzer Zeit möglichst effektiv zu reagieren, wurde ein neues Instrument mit der Bezeichnung STEP ins Leben gerufen, das in drei Bereichen ("deep tech", "clean tech" und "bio tech") die Finanzierungsmöglichkeiten über EU-Programme effizienter mit Projekten verknüpfen soll, vor allem, um die Entwicklung zu beschleunigen. Für den erhöhten Zinsbedarf soll es ein neues Sonderinstrument geben. Für die EU-Verwaltung wird mit Mehrkosten von 1,9 Milliarden Euro gerechnet.

Nettozahler mit Einwänden

Während die Ukraine-Hilfe und Wettbewerbsverbesserungen vorerst zu keinen großen Diskussionen führten, sorgten die 15 Milliarden Euro für Migration umgehend für Debatten. Die Kommission argumentiert damit, dass der Wunsch nach besserer Grenzsicherung und Reformen des Asylverfahrens von den Mitgliedsländern gekommen sei, das würde nun eben auch etwas kosten.

Das sehen die Staaten nicht unbedingt so. Die großen Nettozahler Deutschland und die Niederlande sind einem Bericht des Internetportals "Politico" zufolge nicht bereit, für etwas anderes als die Ukraine zu zahlen. "Im Moment haben wir sehr schwierige (Budget-)Verhandlungen in den Mitgliedstaaten, einschließlich Deutschland, sodass dies nicht der richtige Zeitpunkt ist, um die Länder um mehr Mittel zu bitten", befand der deutsche Finanzminister Christian Lindner.

Auch Österreich steht auf der Bremse: Es könne als Nettozahler eine Aufstockung nicht zustimmen, betonte Finanzminister Magnus Brunner. Angesichts der Corona-Krise, der pandemiebedingten Wirtschaftskrise, der hohen Inflation und Energiepreise sei "die Budgetsituation in Österreich angespannt". Die Regierung musste in den vergangenen "drei Jahren Hilfspakete von historischem Ausmaß schnüren". Der finanzielle Bedarf der Ukraine, so Brunner, sollte zuerst durch die "bestehenden Möglichkeiten" gedeckt werden.

Für die FPÖ wird die EU "zum Fass ohne Boden"; die Grünen im EU-Parlament orten das Gegenteil: "Ohne frisches Geld geht es nicht, aber der Vorschlag reicht hinten und vorne nicht."