Der Handelskollektivvertrag steht, er soll für 430.000 Angestellte die Teuerung abfedern.
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Es war ein guter Abschluss - lauteten unisono die Kommentare zum Kollektivvertrag (KV) des Handels, der Dienstagabend in trockene Tücher gebracht wurde. Arbeitgeber und Arbeitnehmer einigten sich auf ein durchschnittliches Plus von 7,3 Prozent. Die Einstiegsgehälter steigen von derzeit 1.800 Euro auf 1.945 Euro im Monat und damit um 8,06 Prozent. Vorausgegangen war den Verhandlungen für österreichische Verhältnisse recht rabiate Streikdrohungen für Freitag und Samstag vor dem ersten Advent. Das dürfte die Arbeitgeber beeindruckt haben, zählen die Adventwochenenden doch zu den ertragreichsten Tagen des Jahres.
Kleine Gehälter, große Sorgen
Wer da an Erpressung denkt, sollte bedenken, wie die Situation für die 430.000 Handelsangestellten in Österreich aussieht: 70 Prozent der Beschäftigten im Handel sind Frauen. Mehr als ein Drittel arbeitet in Teilzeit. Die Gehälter sind eher bescheiden, die Teuerung trifft Handelsangestellte daher viel stärker als etwa Metaller im fortgeschrittenen Dienstalter.
Denn erhöhen sich die Kosten für Energie und täglichen Einkauf, belastet dies Geringverdiener weit mehr, wenden sie doch fast die Hälfte ihres Einkommens für Wohnen, Ernährung und Kleidung auf. Jene 7,3 Prozent um die sich das Durchschnittsgehalt eines Handelsangestellten erhöht, entspricht zwar in etwa dem, was die Metaller ausverhandelt haben, aber: In der Metallindustrie liegt der Mindestlohn bei 2.236 Euro brutto, im Handel bei 1.945 Euro.
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Betrachtet man dann noch die aktuelle Inflation, die in etwa bei zehn Prozent liegt, sieht man, dass es tatsächlich Reallohnverluste gibt. Freilich, wie die Arbeitgeberseite argumentiert, trifft die Inflation auch die Unternehmen und eine KV-Erhöhung wirkt in die Zukunft. Wenn nun also 2024 die Inflation wieder auf ein normales Maß sinkt, verdienen die Arbeitnehmer immer noch mehr. Und auch wenn KV-Verhandlungen traditionell die vergangenen 12 Monate berücksichtigen, macht die Teuerung, den Arbeitnehmern eben jetzt zu schaffen.
Hinzu kommen die vergangenen zweieinhalb pandemiegeprägten Jahre, gerade im Lebensmittelhandel mussten die Mitarbeiter trotz Ansteckungsgefahr durcharbeiten. Bescheidene Anerkennungszahlungen durch die Arbeitgeber frustrierten viele. Man applaudierte den Heldinnen der Krise, stellte erstaunt fest, dass ausgerechnet jene, die als systemrelevant gelten, so wenig verdienen - und vergaß sie wieder.
Die Lockdown-Zeiten haben sich für Supermarktketten allerdings ausgezahlt, 2020 etwa verzeichnete der Lebenmittel-Einzelhandel ein Umsatzplus von zehn Prozent. Dies schlug sich jedoch nicht in den Gehältern der Angestellten nieder. Freilich, Handel das sind nicht nur die Supermarktketten, sondern auch kleinere Geschäfte. Verhandelt wird aber für die gesamte Branche, was für Ungleichgewichte sorgt.
Man könnte aber auch freiwillig besser bezahlen. Vorgemacht hat dies am Mittwoch die Drogeriekette DM. Sie gab bekannt, ihren Mitarbeitern ab 1. Jänner mindestens 7 Prozent mehr zu bezahlen. Geringere Einkommen sollen bis zu 12 Prozent steigen. Das Mindestgehalt für Filialmitarbeiter solle 2.000 Euro statt 1.945 Euro (Vollzeit) betragen. Angesichts sich verschärfender Personalnöte könnte sich dies dennoch auszahlen, denn: Wer es sich aussuchen kann, wird dort arbeiten, wo er oder sie mehr bekommt.