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Mehr Gott als Schalk

Von Ina Weber

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"Thomaaas", Michelles eindringliche Stimme hält den Showmaster aufrecht, um durchzuziehen, was denn schließlich auch sein muss: der große Showdown von "Wetten, dass .¼.¼?" am Samstag - zumindest mal der Abschied von Mallorca. Thomas Gottschalk verlässt die geschichtsträchtige ZDF-Arena im römisch angehauchten beigen wallenden Gewand, um den Hals ein Kreuz und ein zumindest dem Aussehen nach überdimensionaler Rosenkranz. Groß, stattlich, braungebrannt, mit wallend blonder Mähne spielt er seine Sympathie-Karte in gewohnter Manier aus, doch spürt man deutlich: Der Meister ist müde geworden, und das nicht erst nach dem von ihm selbst als Abschiedsgrund genannten folgenschweren Sturz von Wettkandidat Samuel Koch.

Mit den Jahren ging der Schalk in ihm verloren. Spitzfindige Bemerkungen über Politik und Gesellschaft, interessante Fragestellungen und heterogene Gäste wurden ebenso weniger wie sein ehrliches Interesse an seinen Gästen überhaupt. "Wir kennen uns ja schon gut. Hallo, schön Dich wiederzusehen. Ich weiß ja schon, Du musst auch gleich wieder weg" - seine Gäste sind ihm zur Gewohnheit geworden und ausgereizte Oberflächlichkeit steht dem 61-Jährigen ebenso wenig wie der an diesem Abend religiöse Behang. Gespräche über das Verhalten von - meistens blonden und langen - Haaren im Wind oder das Suchen von Krümeln im Gesicht des anderen wird angesichts der eingetretenen Sinn- und Geistlosigkeit langweilig. Lediglich ein kurz übergestreiftes knallrosa Sakko und der Solo-Tanz Gottschalks auf der Bühne von Status quo lassen wissen, dass der Schalk noch lebt - nur nicht mehr bei "Wetten, dass .¼.¼?"

½medienkritik@wienerzeitung.at½