Eine 125 Jahre alte Idee eines "Grünen Ringes" um die österreichische Hauptstadt erlebt eine Wiederbelebung. | Der Raum um Wien hat eine entsprechende Regionalplanung auch dringend nötig.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 6 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Wien. Vor kurzem hat Landeshauptmann-Stellvertreter Stephan Pernkopf das Projekt eines "Grünen Ringes" rund um Wien vorgestellt. Damit wird eine Planungsidee wieder aufgegriffen und erheblich weiterentwickelt, die heuer ziemlich unbemerkt ein stolzes Jubiläum feiert: Sie ist 125 Jahre alt geworden.
1893 propagierte Eugen Fassbender die Schaffung eines "Volksringes" in Wien. Ein durchgehendes Band an Grünflächen sollte den Rand der städtischen Bebauung einsäumen und sowohl zur Verbesserung der Luftqualität als auch zur Erholung der Wiener Bevölkerung beitragen. Anlass für Fassbenders Planungsvorschlag war ein städtebaulicher Wettbewerb, den die Stadt Wien ausschrieb und der zu einem Generalregulierungsplan führen sollte.
Fassbenders Idee wurde von der Wiener Stadtplanung aufgegriffen und zum "Wald- und Wiesengürtel" weiterentwickelt, der international viel Beachtung fand und trotz wechselvoller Geschichte immer noch ein wesentliches Element für die städtebauliche Entwicklung Wiens bildet.
Als Planungsinstrument konnte sich der Wald- und Wiesengürtel allerdings nur auf das Wiener Stadtgebiet beschränken. Das war bald zu wenig. Denn schon in der Zwischenkriegszeit hatte die vorrückende Be- und Zersiedelung die Stadtgrenze überschritten, und ab den 1960er Jahren setzte im Wiener Umland eine rasante Verstädterung ein, bei der die Wiener Stadtgrenzen innerhalb eines zusammenhängenden Ballungsraumes gar nicht mehr sichtbar wurden. Die Bemühungen, nun auch auf niederösterreichischem Gebiet Grünflächen zu sichern, sind durch viele Bausteine geprägt (Verordnung von Landschaftsschutzgebieten; Einrichtung eines Erholungsvereins; Konstituierung der Planungsgemeinschaft Ost; gemeinsam mit Wien erarbeitete Deklaration zum Schutz des Wienerwaldes), die schließlich 1990 in einem Regionalen Raumordnungsprogramm mündeten, welches neben anderen Festlegungen auch Siedlungsgrenzen für Baulandwidmungen in sensiblen Gebieten enthielt. Solche Siedlungsgrenzen müssen von Gemeinden bei ihrer örtlichen Raumordnung berücksichtigt werden und sind dadurch ein relativ wirkungsvolles Instrument zur Freihaltung von Grünflächen.
Die Wiederentdeckung der Grünflächen
Inzwischen sind jedoch fast drei Jahrzehnte verstrichen. In dieser Zeitspanne hat das Gebiet rund um Wien eine enorme Entwicklung erlebt. Der Druck nach Wohngebieten, Betriebsstandorten und Infrastruktureinrichtungen war jedenfalls stärker als die Beharrungskraft land- und forstwirtschaftlicher Nutzungen; außerdem zeigten sich Grenzen in der Kapazität natürlicher Ressourcen (wie zum Beispiel die Belastbarkeit der Vorfluter) sowie auch bei der Realisierbarkeit von Infrastrukturprojekten. Es bedarf wohl keiner besonderen Erläuterung, dass unter diesen Gegebenheiten eine Generalüberholung der Raumplanung für das Gebiet rund um Wien sinnvoll und berechtigt ist.
Das nun von Pernkopf vorgestellte Projekt ist - aus fachlicher Sicht der Raumplanung gesehen - sehr ambitioniert. Es kann beim Projekt "Grüner Ring" natürlich nicht um einen geometrisch exakten Ring an Grünflächen rund um Wien gehen; ein solcher wäre aufgrund der schon längst bebauten Siedlungsachsen gar nicht mehr zu erreichen. Aber bereits das Ziel, die vielen lokalen Grünflächen nun zu einem übergeordneten Gesamtsystem zusammenzufassen und miteinander möglichst in räumliche Verbindung zu bringen, ist ein Mehrwert gegenüber den bisherigen Planungsfestlegungen. Unter den vielen Funktionen, welche Grünflächen erfüllen, ist in den letzten Jahren die Verbesserung des Lokalklimas wieder entdeckt worden: Grünflächen können Siedlungsräume gliedern, durchlüften und damit sommerliche Hitzespitzen absenken. Dazu benötigen sie aber entsprechende Größen (ohne Temperaturgefälle kommt keine lokale Luftzirkulation in Gang) und einen systematischen räumlichen Zusammenhang sowie eine Abstimmung mit jenen Gebieten, in denen die klimatische Verbesserung wirksam sein soll.
Bemerkenswert ist auch das Ziel, das regionale Planungsprojekt "Grüner Ring" durch die Methode der "Leitplanung" zu erreichen. Diese in Niederösterreich schon seit einigen Jahren erprobte Planungsmethode bildet den Mittelweg zwischen den Planungspolen "Obrigkeitsplanung" und "Planung von unten herauf", indem gemeinsam ein Leitbild erarbeitet wird, das dann auf den verschiedenen Planungsebenen von den zuständigen Gebietskörperschaften in die jeweiligen Planungsinstrumente übernommen wird. Natürlich sind Planungen, die im Konsens erarbeitet werden, mit einem größeren Ausmaß an Mühen und Zeit verbunden als reine Obrigkeitsplanungen, bei denen das Planen leicht, die Akzeptanz und Umsetzung aber umso schwerer zu erreichen ist. Von Konsensmodellen wie der Leitplanung kann daher eine wirkungsvollere Realisierung und damit eine höhere Effizienz erwartet werden.
In den Gemeinden schlummern Baulandreserven
Beim Projekt des Grünen Ringes wird es nicht ausreichen, durch Festlegungen die Grünflächen vor baulichen Nutzungen zu sichern. In den Flächenwidmungsplänen der Gemeinden schlummern noch beträchtliche Baulandreserven in Form von gewidmeten, aber noch nicht bebauten Baulandwidmungen. Auch die Erneuerung des Baubestandes innerhalb der Siedlungen führt meist zu erheblichen Verdichtungen.
Das bauliche Potenzial ist in der Region rund um Wien jedenfalls, wie Studien zeigen, noch lange nicht ausgeschöpft. Es wird daher neben der Flächensicherung auch notwendig sein, im Grünland die Qualität der Landschaft zu steigern, etwa durch Revitalisierung von Gewässern, Aufforstungen in stark unterbewaldeten Bereichen und begrünten Pufferzonen. Zu solchen Vorhaben gibt es bereits einige Leitplanungen; dass diese beim Grünen Ring Berücksichtigung finden sollen, wurde bei der Vorstellung des Projektes angekündigt.
Die 125 Jahre alte Idee eines Grünen Ringes rund um Wien erlebt also mehr als nur eine Wiederbelebung; sie wird in räumlicher und inhaltlicher Hinsicht beträchtlich erweitert. Man kann diesem Projekt der Regionalplanung nur Gutes wünschen; der Raum um Wien hat das jedenfalls dringend nötig.
Michael Maxian arbeitet seit 40 Jahren als Raumplaner. Er war lange Zeit im Amt der NÖ Landesregierung beschäftigt und ist nun als Konsulent und Universitätslektor tätig.