Zu wenig Kinderbetreuung sorgt für unfreiwillige Teilzeitarbeit. Fast alle Parteien wollen den Ausbau forcieren, nicht die ÖVP.
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Wien. 2,4 Millionen Familien gibt es in Österreich. Sie sind nun ebenfalls Zielgruppe im Wahlkampf. Konkret die 1,4 Millionen Familien, die mit Kindern im Haushalt leben.
Die Liste Kurz schlägt in ihrem Wahlprogramm einen Steuerbonus von bis zu 1500 Euro für jedes Kind unter 18 Jahren vor - unabhängig davon, wofür das Geld ausgegeben wird. Der Steuerbonus soll den steuerlichen Freibetrag für die Kinderbetreuungskosten ersetzen. Eltern konnten damit für jedes Kind je nach Einkommen von bis zu 2300 Euro tatsächlich bezahlter Kinderbetreuungskosten absetzen. (Absetzbar ist höchstens die Hälfte der tatsächlichen Ausgaben.) Bei durchschnittlich Verdienenden macht das zirka 800 Euro aus.
Die SPÖ hat den weiteren Ausbau des Angebots dagegen zu einem der zentralen Ziele in ihrem Frauenprogramm gemacht. Frauenministerin Pamela Rendi-Wagner erklärte bei der Präsentation den Ausbau der ganztägigen Kinderbetreuung sogar als eines der wesentlichen Ziele ihrer Partei: "Es ist Zeit, bei dem Thema den Turbo einzuschalten, damit Frauen hier echte Wahlfreiheit haben", sagte Rendi-Wagner.
Barcelonaziel nicht erreicht
Ein Turbo scheint notwendig. Schon 2002 forderte der EU-Rat, also die Regierungen aller EU-Länder, in Barcelona (daher auch Barcelonaziel), die Kinderbetreuung auszubauen. Spätestens im Jahr 2010 sollten demnach 90 Prozent der drei- bis sechsjährigen Kinder versorgt sein, bei den unter Dreijährigen sollten es 33 Prozent sein. Nun schreiben wir das Jahr 2017, das sogenannte Barcelonaziel für die älteren Kindergartenkinder ist mit 93,1 Prozent mehr als erreicht. Bei den Jüngeren aber liegt die durchschnittliche Betreuungsquote bei 25,4 Prozent. Während Wien und das Burgenland das Ziel mit 44,3 und 30,3 Prozent erfüllt haben, sind die Steiermark mit 14,2 und Oberösterreich mit 15,4 Prozent besonders weit von diesem Ziel entfernt.
Für den Ausbau der Kinderbetreuung sind die Bundesländer verantwortlich. Über eine 15a-Vereinbarung werden diese mit Bundesmitteln unterstützt. Je 100 Millionen für 2014 und 2015, weitere 52,5 Millionen für 2016 und heuer waren vorgesehen. Aber nicht alle Länder haben sich ihren Anteil am Bundesgeld abgeholt. Tirol zum Beispiel beanspruchte 2015 nur 8,1 Millionen Euro, das sind nur rund acht Prozent der möglichen Summe, die dem Anteil des Nachwuchses im Kindergartenalter entsprechend zur Verfügung stünden. Auch Kärnten holte sich nur 3,9 Millionen Euro, das sind 22 Prozent der möglichen Mittel, ab. Und Oberösterreich erhielt zwar 25,2 Millionen Euro, ließ aber die Hälfte der Bundesmittel liegen.
Unfreiwillige Teilzeit
Der Grund dafür ist, dass die Bundesländer alle Projekte kofinanzieren, also zusätzliches Geld aufbringen müssen. Weniger Kinderbetreuung in einem Bundesland bedeutet tendenziell mehr Teilzeitarbeit. Eine Auswertung der Statistik Austria zeigt, dass in den Bundesländern mit weniger Kindergartenplätzen mehr Frauen die Betreuung von Familienangehörigen (wozu auch die Pflege zählt) als Grund für ihre Teilzeitarbeit angeben. Besonders häufig ist das in Salzburg, Vorarlberg und Oberösterreich der Fall.
Arbeiterkammer Oberösterreich-Präsident Johann Kalliauer stellt fest, dass "der Mangel an Betreuungsplätzen für die Kleinsten berufstätigen Eltern das Leben besonders schwer macht" und erteilte den Ausbaubemühungen der politisch Verantwortlichen seines Bundeslandes schon vor Schulbeginn ein "Nicht Genügend". Und Ingrid Moritz, Frauensprecherin der Arbeiterkammer Wien, forderte, weitere 100 Millionen Euro an Bundeszuschuss pro Jahr rasch zu beschließen, um den Ausbau fortzusetzen.
Pläne für die Kinderbetreuung
Vor den Wahlen wird das wahrscheinlich nicht mehr passieren. Das SPÖ-Wahlprogramm sieht aber den weiteren Ausbau der Kinderbetreuung vor: Ab 2018 soll demnach schon das zweite Gratiskindergartenjahr gelten, ab 2020 ein Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz ab dem ersten Geburtstag. Das gleicht dem Programm der Neos aufs Haar. Auch hier sind der Ausbau und ein Rechtsanspruch vorgesehen, dazu eine Qualitätsoffensive.
Harald Walser, Bildungssprecher der Grünen, geht noch einen Schritt weiter: "Kindergärten sind endlich als Bildungseinrichtungen anzuerkennen." Dafür sei der schon 2013 von der Regierung versprochene, aber nicht umgesetzte bundeseinheitliche Qualitätsrahmen, die Ausbildung an Unis sowie "massive weitere Investitionen in den Ausbau notwendig.
FPÖ-Familiensprecherin Anneliese Kitzmüller möchte "echte Wahlfreiheit" forcieren, die Förderung der Betreuung in und außerhalb der Familie im Kleinkindalter ähnlich gewichten, dazu mehr steuerliche Absetzbarkeit für Kinderbetreuungausgaben.
Und die ÖVP? Im ersten Teil des Wahlprogramms ist vom Ausbau der Kinderbetreuung keine Rede mehr. Im Gegenteil: Der Arbeitgeberbeitrag zum Familienlastenausgleichsfonds soll von derzeit noch 4,1 auf 2,0 Prozent der Bruttolohnsumme gekürzt werden. Das bedeutet 40 Prozent weniger Einnahmen für den Fonds, aus dem auch Kindergärten finanziert werden.