Versicherer sollen im Kreditgeschäft stärker Fuß fassen können.
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Wien. Versicherer leiden als Anleger schon seit Jahren unter den niedrigen Zinsen. Warum? Klassische Investments - etwa in Anleihen mit einem Top-Rating - werfen meist nur noch mickrige Renditen ab. Und das macht es der Branche zunehmend schwerer, die Zusagen an Lebensversicherungskunden erfüllen zu können. Doch nun öffnet sich ein Fenster für lukrativere Veranlagungen.
So soll es für heimische Versicherer künftig leichter sein, langfristige Kredite an Firmen direkt zu vergeben. Dazu hat die Finanzmarktaufsicht (FMA) am Freitag den Entwurf einer Novelle zur Kapitalanlageverordnung zur Begutachtung auf die Reise geschickt. Dass die Behörde hier aktiv geworden ist, erfolgte auf Betreiben der Versicherungswirtschaft.
Schon bisher konnten Assekuranzen in Österreich so wie Banken Darlehen direkt vergeben, allerdings nur an Kunden mit der höchsten Bonitätsnote (Triple-A), an die Republik und an Großunternehmen. Künftig soll der Kundenkreis ein weit größerer sein - erweitert um Firmen, die über einen stabilen Geldfluss aus dem laufenden Geschäft verfügen und in Sachen Kreditwürdigkeit keine Ramsch-Bewertung (ab einer bestimmten Stufe auf dem Level B) haben dürfen. Dies soll auch mittelständische Firmen aus Österreich einschließen.
Keine Banklizenz nötig
Eine Banklizenz werden heimische Versicherer für ihre Kreditgeschäfte auch weiterhin nicht brauchen. FMA-Sprecher Klaus Grubelnik erklärt dazu: "Das steht so im Gesetz, dass es dafür keiner Bankkonzession bedarf." Die Kreditvergabe selbst ist freilich an Bedingungen geknüpft. So dürfen Darlehen keinesfalls nachrangig gestellt werden, was im Insolvenzfall zum Nachteil für den Gläubiger wäre. Außerdem müssen die jeweiligen Kredite jährlich einem vorgegebenen Risikoprüfungsprozess unterzogen werden.
Was noch dazukommt, sind bestimmte Limits für die Kreditvolumina. Ein einzelnes Darlehen darf zwei Prozent der versicherungstechnischen Rückstellungen nicht überschreiten, und das Gesamtvolumen an vergebenen Krediten darf nicht mehr als fünf Prozent betragen. Laut FMA muss auch ähnlich wie bei den Banken jeder Kredit entsprechend mit Eigenkapital unterlegt sein.
"Impuls für Volkswirtschaft"
Deutschland habe positive Erfahrungen mit der Möglichkeit einer erweiterten Kreditvergabe für Versicherer gemacht, sagt Grubelnik. Dort gebe es diese Möglichkeit bereits seit Jahren. Umgelegt auf Österreich könnten die heimischen Versicherer zusätzlich 4,2 Milliarden Euro in Form von Krediten für die hiesige Wirtschaft ins Rollen bringen, schätzt die FMA.
Der Versicherungsverband VVO begrüßt die geplante Novelle zur Kapitalanlageverordnung. "Damit wird den Versicherungsunternehmen im Sinn ihrer Kunden eine interessante Investitionsmöglichkeit und gleichzeitig der Wirtschaft ein beträchtliches zusätzliches Finanzierungsvolumen eröffnet", meint VVO-Präsident Günter Geyer. Der frühere Chef der Vienna Insurance Group (VIG) spricht von "volkswirtschaftlichen Impulsen gerade in wirtschaftlich nicht leichten Zeiten".
Ob die in ihrer Veranlagungspolitik als traditionell vorsichtig geltenden Versicherer tatsächlich mehr als bisher Kredite vergeben werden, ist vorerst freilich offen. Beim Verband wird davon ausgegangen. Aber die großen Drei der Branche - VIG, Uniqa und Generali Österreich - wollten dazu am Freitag noch nichts Konkretes sagen, wie ein Rundruf der "Wiener Zeitung" ergab. Dem Vernehmen nach ist ihnen das Kleingedruckte des soeben erst verschickten Novellen-Entwurfs noch unbekannt.
Kreditinstitute gelassen
Die Banken fürchten sich offenbar nicht vor zusätzlicher Konkurrenz. Sie hätten schon genug Geschäft, ist dort allgemein zu hören. Aufseiten vieler Firmen heißt es wiederum, dass sich die Finanzierungsbedingungen verschärft hätten. Gerhard Weinhofer vom Kreditschützer Creditreform verwies dazu erst unlängst auf eine Umfrage unter 1700 Betrieben.
So würden Banken die Bonität verstärkt prüfen, Unternehmen müssten für einen Kredit mehr Sicherheiten brauchen, und es gebe Zinserhöhungen bei den Darlehen. Weinhofer rechnet kurzfristig sogar mit einer "Verschärfung der Kreditklemme".
Die Nationalbank beruhigt indes: Es gebe keine Kreditklemme in Österreich. Das sagen auch die Geschäftsbanken. Sie argumentieren mit einer konjunkturbedingt flauen Kreditnachfrage.
Sich anders finanzieren als über Banken können Unternehmen auch über Crowdfunding (Fachbegriff für Schwarmfinanzierung). Kleine Firmen, die nur schwer an Bankkredite herankommen, können nach einer Gesetzesänderung nun Darlehen von bis zu 250.000 (statt bisher nur 100.000) Euro von Freunden, Bekannten und anderen Personen entgegennehmen. Eine Prospektpflicht zwecks Anlegerschutz besteht hier nicht.