Wechselwirkungen mit Medikamenten sind noch unbekannt. | Mehr medizinische Studien und gesetzliche Richtlinien erforderlich. |
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Wien. Zu Großmutters Zeiten schwor man noch auf Altbewährtes. Knoblauch, Zwiebeln oder andere Lebensmittel waren wichtiger Bestandteil der Hausapotheke. Zu einer Überdosierung kann es beim Verzehr dieser Lebensmittel kaum kommen, da man irgendwann davon genug hat.
Der Lebensmittelchemikerin und Toxikologin Doris Marko von der Universität Wien zufolge ist das ein entscheidender Aspekt und wesentlicher Vorteil gegenüber pflanzlichen Nahrungsergänzungsmitteln. Denn deren Hauptbestandteil sind ein oder mehrere kombinierte Extrakte von Lebensmittel-Inhaltsstoffen, wodurch höhere Dosen über einen oftmals längeren Zeitraum als bei Lebensmitteln zugeführt werden können. Welche Konsequenzen das haben kann, ist allerdings noch weitgehend unerforscht.
In den vergangenen Jahren wurden immer mehr Lebensmittel-Inhaltsstoffe isoliert. Als Mono- oder Kombinations-Substanz wird der Großteil dieser Extrakte aber nicht als Arznei, sondern als pflanzliches Nahrungsergänzungsmittel vermarktet. So gibt es das Extrakt von Vitamin E aus Weizenkeimen, oder Extrakte von Preiselbeeren zur Abwendung von Harnwegsinfekten, oder Johanniskraut- oder Ginseng-Präparate.
Diese Präparate gelten zwar als Lebensmittel, befinden sich rechtlich jedoch in einem Graubereich zwischen Lebensmittel- und Arzneimittelrecht. Zwar sind sie dadurch leichter verkäuflich. Jedoch ist den Konsumenten oft nicht klar, dass diese Erzeugnisse nicht denselben Sicherheitsprüfungen unterliegen wie Arzneimittel.
"Diese Produkte müssten vor allem hinsichtlich ihrer Langzeit- und Kombinationswirkung strengen Prüfverfahren unterzogen werden", kritisiert Marko. Sie setzt sich mit den Wirkungen von Lebensmittelinhaltsstoffen in pflanzlichen Nahrungsergänzungsmitteln auf menschliche Tumorzellen auseinander. Speziell die Nebenwirkungen durch eine Dauereinnahme sind noch unerforscht, und niemand kann sagen, wie menschliche Zellen darauf reagieren. "Es müssten meist viel mehr Interventionsstudien durchgeführt werden, bei denen bestimmte Personengruppen ein Präparat über längere Zeit einnehmen", fordert die Expertin.
Besonders stark unterschätzt werden die Wechselwirkungen von pflanzlichen Nahrungsergänzungsmitteln und Medikamenten. Die wenigsten Konsumenten werden bei der Einnahme von einem pflanzlichen Nahrungsergänzungsmittel darüber nachdenken, ob es zu unerwünschten Wechselwirkungen mit Medikamenten kommen kann oder nicht. Am Institut für Lebensmittelchemie und Toxikologie liegen jedoch zum Zusammenwirken von bestimmten Beerenextrakten und verschiedenen Chemotherapeutika bereits erste Ergebnisse vor. An menschlichen Tumorzellen und im Tierversuch beobachteten die Forscher um Marko, dass manche Beerenextrakte in der Lage waren, die Wirksamkeit von Chemotherapeutika zu unterdrücken.
Vorsicht, Krebs-Patienten
Wie es sich beim Menschen verhalten könnte, dazu liegen derzeit nur Hypothesen vor. Entweder ist es möglich, die Darmflora durch die Einnahme solcher Präparate zu schützen - oder die Chemotherapie wird in ihrer Wirkung beeinträchtigt.
Alles in allem ist gegenüber pflanzlichen Nahrungsergänzungsmitteln eine gewisse Vorsicht durchaus angebracht. Ihre Qualität und Sicherheit unterliegen nicht den strengen Regelungen des Arzneimittelgesetzes. Und zu gesundheitsschädlichen Nebenwirkungen gibt es kaum Studien. Auch in einer Apotheke fragte die Redaktion nach. Die auf den Packungen beschriebenen positiven Wirkungen sind nicht das Ergebnis unabhängiger Testverfahren, sondern von den Herstellern in Auftrag gegebene Untersuchungen.
Wer dennoch nicht auf pflanzliche Nahrungsergänzungsmittel verzichten möchte, dem empfiehlt sich ebenso der Gang in die Apotheke. Denn dort kann einem der Apotheker zumindest darüber Auskunft geben, ob es sich etwa bei den Johanniskraut-, Ginseng- oder Preiselbeer-Präparaten um eine Arznei oder ein pflanzliches Nahrungsergänzungsmittel handelt. Wer jedoch auf Nummer Sicher gehen will, sollte Lebensmittelinhaltsstoffe am besten über die Nahrung zu sich nehmen.