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Mehr Autonomie für Sterbende und Schwerkranke soll die so genannte Patientenverfügung bringen - ein entsprechender Gesetzentwurf befindet sich derzeit in Begutachtung und soll "in naher Zukunft" den Ministerrat passieren. Bei der Richterwoche in Saalfelden nahmen Experten das neue Instrument kritisch unter die Lupe.
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Im hohen Alter im eigenen Bett einschlafen und sanft und schmerzfrei aus diesem Leben scheiden. Auf so ein Ende hoffen wohl die meisten Menschen. Nur sieht die Realität oft anders aus: Unfälle, schwere Krankheiten - viele verbringen ihren Lebensabend krank im Spital, abhängig von technischen Apparaturen und schweren Medikamenten.
Sich bereits im Voraus für eine bestimmte Behandlungsmethode oder den Abbruch einer Behandlung zu entscheiden, für den Fall, dass die eigene Urteilsfähigkeit später etwa aufgrund eines Komas nicht mehr gegeben sein sollte - diesem Zweck dient die Patientenverfügung. Wie aus dem Gesundheitsministerium verlautet, soll der Entwurf - dessen endgültiger Wortlaut noch nicht feststeht - "in naher Zukunft" den Ministerrat passieren. Die Selbstbestimmung von Kranken soll damit erhöht, Ärzten die Wahl der passenden Behandlungsmethode erleichtert werden.
16 Paragrafen umfasst der Entwurf derzeit: Gültig zustande kommt die Patientenverfügung, wenn der Patient bei Abschluss der Erklärung einsichtsfähig war und wenn seine Erklärung ohne Irrtum erfolgte. Schließlich dürfen nur rechtlich zulässige, faktisch mögliche und medizinisch indizierte Behandlungen verfügt werden. Die Patientenverfügung ist nur bis zu ihrem Widerruf wirksam. Der Text sieht weiters vor, dass die Verfügung, um gültig zu bleiben, alle drei Jahre "erneuert" werden muss.
Sterben humaner gestalten
"Patientenverfügungen können ein Baustein im Bestreben sein, die Bedingungen des Sterbens in unserer Gesellschaft humaner zu gestalten", meint Hospizärztin Annette Henry. Beim nicht mehr einwilligungsfähigen Patienten sei die Suche nach dem mutmaßlichen Patientenwillen im ärztlichen Alltag eine schwierige, zeitaufwändige und komplexe Herausforderung. Gerade im Intensivbereich seien Ärzte oft mit Patienten konfrontiert, deren Vorgeschichte sie kaum kennen würden: "Und direkte Kommunikation ist nicht mehr möglich".
Ihre Probleme mit der Verfügung hat Barbara Helige, die Präsidentin der Richtervereinigung. "Selbstbestimmung hat sehr viel mit Wissen zu tun. Die Patientenverfügung berührt aber eine Lebenssituation, die in der Zukunft liegt. Eine Patientenverfügung treffen heißt eine Prognose treffen und wir wissen aus anderen Bereichen - etwa aus der Wirtschaft - wie oft Prognosen revidiert werden müssen", bemerkt Helige im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" . Im übrigen drohe die Gefahr, dass der Druck auf Alte und Kranke steigen könnte, in einer Patientenverfügung lebensverlängernde Maßnahmen abzulehnen.
Lob für den Entwurf kommt vom niederösterreichischen Patientenanwalt Gerald Bachinger: "Das Gesetz bringt mehr Rechtssicherheit für Patienten und Ärzte und schafft Vertrauen in der Patient-Arzt- Beziehung." Allerdings dürften die Verfügungen "keine Schnellschüsse" sein. Bachinger: "Die Erstellung einer Patientenverfügung, die unter Umständen über Leben und Tod entscheidet, darf nicht durch das Ankreuzen einer Rubrik auf einem Formular erledigt sein."