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Mehr "Marie" - Fekter im Glück

Von Clemens Neuhold

Politik

Politik jubelt; aber Experten warnen vor milliardenschweren Budgetbomben.


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Wien. "Her mit dem Zaster, her mit der Marie!" Mit diesem gegen Spekulanten gerichteten Spruch verewigte sich Innenministerin Johanna Mikl-Leitner von der ÖVP. Die Vorgängerin, Parteikollegin und heutige Finanzministerin, Maria Fekter, freut sich nun über mehr "Marie" ganz ohne Kampfansage. 2012 lag das Budgetdefizit nach neuesten Daten bei 2,5 Prozent und nicht wie prognostiziert bei 3,1 Prozent. Klingt technisch; der Unterschied macht aber mehr als 1,8 Milliarden Euro aus, das entspricht der Kaufsumme von 18 Eurofightern.

Von diesem Ostergeschenk überrascht zeigten sich am Donnerstag nicht nur die Politiker, sondern auch Wirtschaftsexperten quer durch die Bank. Noch vor einer Woche hatte das renommierte Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) die Prognose von 3,1 Prozent offiziell bestätigt.

"Danke allen Österreichern"

Zu verdanken haben wir den Budgetfrühling nicht den Ministern und ihrer Spardisziplin in Wien, sondern den Ländern und Gemeinden. Denn die haben 2012 sogar mehr eingenommen als ausgegeben - und mit diesem Budgetüberschuss hatte niemand gerechnet. In einer Aussendung dankte Fekter den Ländern und Gemeinden für ihre "beeindruckende Budgetdisziplin", um dann pathetisch zu werden: "Mein Dank gilt insbesondere allen Österreicherinnen und Österreichern, die diesen Erfolg möglich gemacht haben."

Auch Bundeskanzler Werner Faymann und Vizekanzler Michael Spindelegger freuten sich. Österreich sei auf dem richtigen Weg, meinte Faymann, Spindelegger sprach von einem Grund, "stolz zu sein" und bezeichnete Österreich als "Vorbild für Europa".

Wohnbaumilliarde voraus?

Spätestens an diesem Punkt fangen bei Budgetexperten die Alarmglocken zu schrillen an. Der Grund: Es ist Wahljahr, da ziehen sich Politiker gerne die Spendierhose an, um die Wähler zu beglücken. ÖVP und SPÖ übertreffen sich jetzt schon in ihren Forderungen nach einer groß angelegten Wohnbauoffensive für alle, die unter den hohen Mieten ächzen. Für eine Entlastung scheint dank der neuen Budgetzahlen nun plötzlich Geld vorhanden.

Ist es aber nicht. Denn Österreich gab auch im Jubeljahr 2012 mehr aus, als es einnahm, und häufte weitere Schulden an - statt der prognostizierten 9 Milliarden jetzt "nur" 7,7 Milliarden; die Schulden kletterten weiter auf den neuesten Rekordstand von 73,4 Milliarden Euro.

Zum Schuldenstopp und zum Nulldefizit, das Spindelegger schon am Horizont sieht, ist es also noch ein sehr weiter Weg. Und der könnte schnell durch ein paar Budgetbomben versprengt werden. Denn für die nächsten Jahre rechnet Fekter mit Einnahmen, die alles andere als fix sind.

Die Budgetexpertin des Wifo, Margit Schratzenstaller, listet auf: Die europäische Finanztransaktionssteuer soll ab 2014 500 Millionen Euro bringen. Die Österreicher haben die Summe sicherheitshalber schon eingebucht, der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble nicht. Ihm fehlt noch die "rechtliche Basis", um an die Steuer ab 2014 zu glauben.

Fekter erwartet aus einem Abkommen mit der Schweiz über Schwarzgeldrückflüsse über eine Milliarde Euro, das hält Schratzenstaller für "optimistisch".

Auch die 300 Millionen Euro aus der erweiterten Immobiliensteuer hält sie für ambitioniert geschätzt.

Die Hilfen für die maroden Banken machen mit 2,6 Milliarden Euro schon jetzt ein Drittel der neuen Schulden aus. Doch niemand kann sagen, ob nicht weitere Steuermilliarden in die verstaatlichten Problembanken Hypo Alpe Adria, Kommunalkredit und Volksbanken gepumpt werden (siehe Seite 10). "Es besteht das Risiko, dass das Ende der Fahnenstange noch nicht erreicht ist."

Gleich auf zwei Ebenen droht Ungemach aus Europa. Die europäische Statistik will gewisse Bilanztricks bald nicht mehr akzeptieren und ausgelagerte Schulden wie jene der ÖBB wieder ins Budget einrechnen. Das könnte die Staatsschulden schlagartig um vier Prozentpunkte auf fast 80 Prozent des BIP erhöhen. Dieser 12-Milliarden-Hammer scheint noch niemanden zu beunruhigen, droht aber bereits 2014 auf Österreich niederzugehen.

Schließlich hat Zypern gezeigt, wie eine winzige Insel mit einem Anteil an der europäischen Wirtschaftsleistung von 0,1 Prozent die gesamte Währungsunion erschüttern kann. Sollten weitere Erdbeben das Wachstum auch in Österreich bröckeln lassen, dann steigen Arbeitslosigkeit und Sozialausgaben, gleichzeitig sinken die Steuereinnahmen - und die Budgetrechnung wäre Makulatur.

Alle Risiken zusammengezählt, könnten die 1,8 Milliarden Euro schnell wieder verpuffen und die Freude ins Gegenteil umschlagen - da können die Bundesländer noch so "vorbildlich" sein.

Experten können noch gar nicht sagen, ob die Einsparungen der Länder schon als Erfolg begonnener Reformen zu werten sind, oder auf andere - einmalige - Effekte zurückgehen.

Und wer weiß, ob eine neue Ausgabenfreude nicht auch sie überkommt? Damit sich die Regierung nicht zu sehr an die frohe Botschaft vom Land gewöhnt, hat der Gemeindebund sofort nach Bekanntwerden der schönen Budgetzahlen auf den "Investitionsstau" der letzten Jahre hingewiesen. Heißt im Umkehrschluss: höchste Zeit für neue Investitionen. Die bringen mittelfristig Wachstum, kurzfristig kosten sie aber ordentlich "Marie".