Eine Studie zeigt, wie sehr die heimische Pharma- und Life-Science-Branche vom Ausland abhängig ist.
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Die Covid-19-Krise hat Österreich vor Augen geführt, wie wichtig der Pharma- und Life-Science-Bereich für den heimischen Standort ist. Impfstoffe waren knapp, es gab Engpässe bei der Versorgung mit Arzneimitteln. Internationale Lieferketten sorgten für Verzögerungen.
Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (ÖVP) will dem entgegensteuern. Seit Monaten macht sich ihr Ministerium für den Ausbau des heimischen Pharmastandortes stark. Mehrere Initiativen wurden ins Leben gerufen, um Unternehmen zu mehr Investitionen und Zusammenarbeit in diesem Bereich zu bewegen. "Wir müssen darauf achten, dass die Pharmabranche nicht abwandert wie die IT-Branche ", sagt Schramböck. Die heimische Pharmabranche umfasst 900 Unternehmen. 55.000 Mitarbeiter erwirtschafteten 22 Milliarden Euro (2018).
Die Pharmawelt ist stark von Indien und China dominiert. Etwa 60 Prozent der weltweiten API-Produktion (aktive pharmazeutische Wirkstoffe) in Volumen sind in den beiden asiatischen Ländern ansässig.
Anteil der Patente verringert
Wie sehr die heimische Pharma- und Life-Science-Branche vom Ausland abhängig ist und welche Wertschöpfungsketten es in Österreich gibt, hat nun eine Studie des Economica-Instituts für Wirtschaftsforschung im Auftrag des Wirtschaftsministeriums untersucht.
Von zentraler Bedeutung sind dabei Patente. Zwar war das Innovationsgeschehen im Bereich Pharma und Life Science in Österreich im ersten Jahrzehnt des 21. Jahrhundert überdurchschnittlich stark ausgeprägt. Jährlich werden in Österreich mehr als 500 Patentfamilien in dem Bereich veröffentlicht. Doch seit 2010 hat sich der relative Anteil heimischer Patente im Vergleich zur weltweiten Entwicklung sukzessive verringert. "Wir müssen in die nötigen Strukturen investieren, sonst fallen wir weiter zurück", sagt Christian Helmenstein, Leiter des Economica-Instituts, der zuletzt auch ein Zukunftskonzept für die "Wiener Zeitung" mitentwickelt hat. "China hat den hohen Marktwert pharmazeutischer Patente erkannt", so Helmenstein.
Noch seien die Daten für 2019 und 2020 nicht vollständig. Österreich konnte aber seinen Anteil von 0,2 Prozent am weltweiten Patentierungsgeschehen halten. Der Pharmakonzern Novartis, der in Tirol Penicilin und mRNA für Covid-Impfstoffe produziert, liegt unter den Top-20-Patentanmeldern auf Platz eins. Kunststoffhersteller Borealis, Halbleiter-Produzent Infineon und das Pharmaunternehmen Valneva finden sich ebenfalls unter den Top 20.
Bei den Forschungsausgaben steht die Pharma- und Life-Science-Branche gut da. Die Ausgaben für Forschung und Entwicklung betragen 16 Prozent gemessen am Umsatz.
Bei der Produktion ist Österreich hingegen häufig von internationalen Lieferketten abhängig. Lediglich 37 Prozent der Vorleistungen in der Pharmabranche werden im Inland produziert. In acht Vorleistungssektoren könne Österreich in diesem Sektor überhaupt keine Produkte anbieten und sei komplett importabhängig, so Helmenstein. Es sei deshalb zu hinterfragen, "ob für gewisse kritische Güter eine Minimalkapazität von Produktionsressourcen im Inland (wieder) geschaffen werden sollte", heißt es in der Studie.
"Wir generieren damit nicht nur eine zusätzliche Wertschöpfung und Arbeitsplätze, sondern stärken auch die Versorgungssicherheit mit kritischen Gütern", sagt Studienautor Helmenstein.
Um Unternehmen aus der Pharma- und Life-Science-Branche nach Österreich zu locken, wird über den Sommer eine Standortstrategie erarbeitet. Erste Ergebnisse sollen in Alpbach präsentiert werden, sagt Wirtschaftsministerin Schramböck.
Für gewisse Substanzen, für die es in der EU noch keine Produktion gibt, wie etwa die Vitamin-Produktion, könnte sich Österreich eine Sonderstellung schaffen. "Vitamine könnten wir zum Beispiel in Österreich erzeugen", sagt Schramböck. Vitamin D etwa hat derzeit einen Importanteil von 97,8 Prozent.
Schramböck nennt die Penicillin-Produktion von Novartis im Tiroler Werk in Kundl als Positivbeispiel. Im Juli 2020 konnte eine Abwanderung des Werks mit 4.000 Mitarbeitern gesichert werden. Das Werk wurde um 150 Millionen Euro modernisiert. Die Regierung hat ein Drittel der Kosten mitgetragen.