Bei Verhinderung reist ein anderer. | In der Praxis aber bisher unbekannt. | Wien. Nach der EG-Richtlinie über Pauschalreisen aus 1990 haben Reisende das Recht, bei Verhinderung die gesamte Reise an einen Dritten zu übertragen. Österreich hat die Richtlinie großteils im Konsumentenschutzgesetz (KSchG) umgesetzt.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 18 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Ist ein Reiselustiger, der eine Pauschalreise gebucht hat, gehindert, diese anzutreten, so gibt ihm das europäische Reiserecht die Möglichkeit, den Reisevertrag zu übertragen. Der Veranstalter wäre verpflichtet, den neuen Reisenden zu akzeptieren, wenn er vom Wechsel rechtzeitig informiert wird. Dieses Recht ist in der Praxis nicht nur weitgehend unbekannt, sondern birgt für sämtliche Beteiligten auch zahlreiche ungeklärte Fragen.
In Österreich besteht der Anspruch auf Übertragung des Reisevertrages - obwohl er in § 31c Abs 3 KSchG festgeschrieben ist - nicht nur für Verbraucher (Konsumenten), sondern für alle Reisenden gleichermaßen. Allerdings nur für Pauschalreisen; das sind Reisen, die sich aus Beförderung und/oder Unterbringung sowie einer anderen - nicht nur untergeordneten - Dienstleistung zusammensetzen und zu einem Gesamtpreis verkauft werden in der Regel ein Cluburlaub, eine Sprachreise, eine Kreuzfahrt oder auch nur eine gemeinsame Buchung von Flug und Mietwagen.
Weitere Voraussetzungen für die Vertragsübertragung sind einerseits die Verhinderung des Reisenden, wobei der Grund kaum überprüfbar ist und dies in der Praxis keine wirkliche Einschränkung darstellt; andererseits die spezifische Erfüllung sämtlicher Bedingungen für die Teilnahme an der Reise. Das bedeutet, für einen Seniorenurlaub muss der Ersatzreisende das passende Alter, für eine Expedition die entsprechende körperliche Eignung, für eine Tauchreise die erforderliche Ausbildung aufweisen oder ein für die Reise notwendiges Visum (rechtzeitig) erlangen können.
Angemessene Frist
Schließlich muss der Reiseveranstalter, das ist das Unternehmen, das die einzelnen Leistungen organisiert und häufig über ein vermittelndes Reisebüro oder eine Internetplattform die Reisen anbietet und verkauft, in angemessener Frist (nach der Richtlinie: in vertretbarer Frist) vor der Abreise verständigt werden. Was in diesem Sinne als angemessen/vertretbar und daher rechtzeitig anzusehen ist, wurde von der Rechtsprechung bisher nicht geklärt. Die EU-Kommission hat aber 1998 bereits einmal gegen Luxemburg ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet, weil dort in der gesetzlichen Umsetzung der Richtlinie eine fixe Frist von 21 Tagen vor der Abreise normiert war, innerhalb derer eine Übertragung nicht mehr möglich sein sollte. Die Kommission war der Ansicht, diese Frist würde der von der Richtlinie geforderten Angemessenheit nicht entsprechen. Luxemburg war daher gezwungen, die 21 Tage-Frist durch den, in der Richtlinie verwendeten, Begriff der angemessenen Frist zu ersetzen.
Aufgrund der modernen Telekommunikationsmittel und elektronischen Buchungssysteme sowie der Möglichkeit, Reisen überhaupt erst sehr kurzfristig zu buchen ("Ultra-Lastminute"), sollte eine Übertragung der Reise in den meisten Fällen wohl auch eine Woche vor der geplanten Abreise für den Veranstalter noch durchführbar sein. Insbesondere auch deshalb, weil Kosten, die dem Reiseveranstalter durch die Änderung entstehen, ohnehin ersetzt werden müssen und sowohl der ursprüngliche als auch der Ersatzreisende für den gesamten Reisepreis haften. Im Internet finden sich Börsen, die zwischen verhinderten Reisenden und potentiellen Käufern vermitteln und damit einen "sekundären Last-Minute-Markt" schaffen.
Unterschiedliche AGB
Einige Reiseveranstalter im deutschsprachigen Raum schließen jedoch das Recht auf Vertragsübertragung ab 21 Tagen vor der Abreise in ihren Bedingungen aus und viele Fluglinien versagen je nach Buchungsklasse eine Übertragung an einen Ersatzreisenden (im Rahmen einer Pauschalreise) nach Ticketausstellung auch generell. Es bleibt abzuwarten, wie diese Diskrepanz zwischen den Geschäftsbedingungen von Reiseveranstalter und Flugunternehmen und den Vorschriften des KSchG bzw. den europarechtlichen Vorgaben von den Gerichten und letztlich vom EuGH gelöst wird.
Stephan Keiler ist bei CHSH -
Cerha Hempel Spiegelfeld Hlawati Partnerschaft von Rechtsanwälte in Wien tätig.