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Mehr Recht war nie

Von Walter Hämmerle

Leitartikel
Walter Hämmerle.
© Luiza Puiu

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Am Freitag tagte die Präsidentenkonferenz der Rechtsanwälte in Wien. Rechtsvertreter aus ganz Europa diskutierten dabei mit tiefen Sorgenfalten die Lage der Rechtsstaatlichkeit quer durch die Staaten des Kontinents.

Polen und Ungarn, gegen welche die EU-Kommission ein Verfahren führt, sowie Rumänien sind hier Dauerbrenner. Sich nur auf diese drei Staaten zu beschränken, wäre einäugig: Mordanschläge auf Journalisten haben düstere Zustände auf Malta und in der Slowakei ans Licht gebracht. Und in den meisten Nicht-EU-Staaten hat eine unabhängige Justiz einen noch schwereren Stand, man denke nur an Russland und die Türkei, an Georgien und Aserbaidschan sowie etliche mehr.

Die vielen Einzelfälle bergen die Gefahr, dass der zentrale Aspekt aus dem Blick gerät: Fragen der Rechtsstaatlichkeit sind kein nationales Thema mehr, sondern ein europäisches. Innerhalb der EU sorgen ausgeklügelte Verfahren mit ihren Institutionen für einen kritischen Blick in die EU-Staaten hinein. Wer Mitglied werden möchte, muss auf dem Weg dorthin den rechtsstaatlichen Ansprüchen der Union genügen. Und auch für die Staaten außerhalb der EU existieren mit Europarat und Venedig-Kommission Verfahren, die Fehlentwicklungen und Missstände benennen. Das ist mehr an rechtsstaatlicher Sicherungsarchitektur, als es je gegeben hat.

Bei fast allen Verfahrenswegen hat aber doch die Politik das letzte Wort. Im Minenfeld zwischen Demokratie und Rechtsstaat lassen sich die letzten und schwierigsten Fragen meist nur durch politische Prozesse auflösen. Ob etwa Ungarn oder Polen ihr EU-Stimmrecht verlieren, ist zwingend eine politische, keine rechtliche Entscheidung. Meist, nicht immer, ist das ein Glück. Man wird sehen, wie es diesmal ausgeht.

Österreichs umkämpfte Innenpolitik war übrigens auch Thema der Tagung, vor allem die Forderung von Innenminister Herbert Kickl nach einer Sicherungshaft für gefährliche Asylwerber. Justizminister Moser ließ sich die Gelegenheit nicht entgehen, sich - nach seinem bildstarken Auftritt mit einer glatzköpfig-bärtigen Conchita Wurst im weißen Ballkleid beim Opernball - einmal mehr als liberaler Flügelspieler des ÖVP-Regierungsteams zu präsentieren: Die Aufzählung seiner Bedingungen für ein Ja zu Kickls Sicherungshaftplänen waren so zahlreich und umfassend, dass am Ende wohl nur die Fortsetzung des Status quo stehen kann. Die versammelten Rechtsanwälte hörten es mit Genugtuung.

Aber vielleicht geht es der FPÖ ja gar nicht um konkrete Politik, sondern nur um die symbolische Markierung ihres angestammten Territoriums für kommende Wahlen. Das wiederum wäre ihr dann ganz wunderbar gelungen.