Mutter darf kein Veto mehr einlegen. | Gesetzesänderung laut Expertin in Österreich nicht zwingend nötig. | FPÖ, BZÖ sehen Änderungsbedarf. | Karlsruhe/Wien. Das deutsche Bundesverfassungsgericht hat die Rechte unehelicher Väter massiv gestärkt. Hatte bisher die Mutter ein absolutes Vetorecht gegen die gemeinsame Obsorge, so hat in Zukunft in einem Sorgerechtsstreit das Gericht das letzte Wort. Der Gesetzgeber greife unverhältnismäßig in das Elternrecht des Vaters ein, wenn er ihn generell von der Sorge für sein Kind ausschließt, sofern die Mutter des Kindes ihre Zustimmung verweigert, lautete die Begründung der Höchstrichter in Karlsruhe.
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Der Entscheid könnte auch für Österreich von Bedeutung sein, denn er fußt auf einem Urteil des Europäischen Menschrechtsgerichtshofs (EGMR) aus 2009, wonach die deutsche Sorgerechtsregelung gegen das Recht auf Familienleben und das Diskriminierungsverbot verstößt. Die Rechtslage in Österreich sei zwar, wie es aus dem Frauenministerium heißt, "besser als die deutsche" - ob diese dennoch geändert werden muss, daran scheiden sich die Geister.
In Österreich prüftimmer ein Gericht
So erklärt etwa Bea Verschraegen, Expertin für Rechtsvergleichung an der Uni Wien, dass Änderungen in Österreich aufgrund des EGMR-Urteils "nicht unbedingt notwendig" seien. Denn in Österreich werde - anders als eben bisher in Deutschland - jeder Fall gerichtlich überprüft. Eine Mutter kann also nicht einfach letztgültig dem Kindesvater den Zugang zum Sorgerecht verwehren.
Auch spricht sich Verschraegen gegen eine automatische gemeinsame Obsorge im Scheidungsfall, wie sie Justizministerin Claudia Bandion-Ortner anstrebt, aus. "Die Eltern müssen miteinander können, miteinander wollen, und das Kindeswohl muss im Vordergrund stehen", sagt sie. Um jeden Preis eine automatische gemeinsame Obsorge erzwingen zu wollen, hält sie für nicht sinnvoll.
Anders sieht das BZÖ-Justizsprecher Ewald Stadler. Das EGMR-Urteil habe "mit Sicherheit Auswirkungen auf Österreich", sagt er.
Automatische Obsorge diskriminierend?
Aus dem Strassburger Richterspruch gehe auch hervor, dass die in Österreich und Deutschland gültige Regelung, wonach bei unehelichen Geburten automatisch die Mutter das Sorgerecht bekommt und das gemeinsame beantragt werden muss, diskriminierend sei.
Er spricht sich für eine automatische gemeinsame Obsorge aus, die bei unehelichen Eltern sofort mit der Anerkennung der Vaterschaft beginnen soll. Auch FPÖ-Justizsprecher Peter Fichtenbauer plädiert für einen Automatismus. Man müsse "alles vermeiden, was das Kind zum Streitobjekt machen kann".
Was einen Automatismus für uneheliche Paare betrifft, ist man im Justizministerium hingegen skeptisch: Man wolle nicht, dass Frauen dann aus Angst den Namen des Vaters gar nicht angeben würden. Diesbezüglich warte man noch ein Verfahren gegen Österreich vor dem EGMR ab, prinzipiell werde man sich "Diskussionen aber nicht verschließen". Generell sehe sich Bandion-Ortner durch das Urteil in Karlsruhe "in ihrem Vorhaben bestärkt".
Im Büro von Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek ist man nach wie vor gegen eine automatische gemeinsame Obsorge. Stattdessen solle die freiwillige gemeinsame Obsorge gefördert werden. Auch sehe man keinen gesetzliche Änderungsbedarf beim Sorgerecht für uneheliche Kinder, heißt es dort.
Mit einem Ministerratsbeschluss vor der Sommerpause wurde allerdings die Informationspflicht für uneheliche Eltern eingeführt: Wer sich nun beim Standesamt als Vater eintragen lässt, wird darüber informiert, dass die gemeinsame Obsorge nicht automatisch erfolgt, sondern beantragt werden muss.