Zum Hauptinhalt springen

Mehr Rechte für Volksgruppen?

Von Matthias G. Bernold

Politik

Gestern passierte die Europäische Charta der Regional- oder Minderheitensprachen den Menschenrechtsausschuss des Parlaments. Ziel der Urkunde ist der Schutz des gemeinsamen europäischen Erbes und die Förderung des kulturellen Reichtums Europas. Die Verwendung von Minderheitensprachen im Bildungswesen, in den Medien, im Justiz- und Verwaltungsbereich sowie Wirtschafts- und Sozialleben soll forciert werden.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 23 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Nachdem der Menschenrechtsausschuss dem Plenum des Nationalrats gestern die Annahme der Charta empfahl, wird kommenden Donnerstag über die Regierungsvorlage abgestimmt. Während das Vertragswerk für die Regierungsparteien "einen wichtigen Schritt in der aktiven Volksgruppenpolitik" bedeutet, kritisierte die Opposition die Trennung zwischen "Kroatisch" und "Burgenlandkroatisch" und dass sich der Schutz der Kroaten und Roma auf das Burgenland beschränkt. Damit seien aber das Burgenlandkroatisch und Romanes in Wien vom Geltungsbereich der Ratifikation ausgeschlossen.

Grundzüge der Charta . . .

- Die historisch gewachsene Sprachenvielfalt (languages "traditionally used") in Europa wird als kultureller Wert festgeschrieben, den es zu schützen und zu fördern gilt.

- Gefährdet und damit schutz- und förderungswürdig sind Sprachen von Minderheiten (languages "less widely used").

- Aufgrund der genannten Kriterien "traditionally used" und "less widely used" wird der Kreis der Sprecher sehr ähnlich wie der Kreis der von den üblichen Minderheitenschutzbestimmungen erfassten Minderheitsangehörigen festgelegt.

- Auf Sprachen, die die Voraussetzungen der Charta erfüllen, ist sie unabhängig von einer staatlichen Anerkennung oder sonstigen Handlung anzuwenden; nur Staatssprachen bedürfen einer ausdrücklichen Unterstellung unter die Charta.

- Die Verwendung der Minderheitensprachen soll in möglichst vielen Lebensbereichen gefördert werden (z.B. gem. Art. 13 auch im wirtschaftlichen und sozialen Leben).

- Alle staatlichen Förderungsmaßnahmen aufgrund der Charta müssen der jeweiligen Sprachensituation angepasst sein und die Anliegen der Sprecher berücksichtigen.

- Als völkerrechtlicher Vertrag räumt die Charta keine Individualrechte ein - unmittelbar aus der Charta können keine Rechtsansprüche geltend gemacht werden.

- Die Sanktionsmöglichkeiten bei Verletzung der Charta sind gering und beschränken sich auf ein Berichtssystem.

. . . und ihre Auswirkungen

Zur Frage, welche Auswirkungen die Ratifizierung der Urkunde hätte, meinte Heinz Tichy, Menschenrechtskoordinator im Bildungsministerium zur "Wiener Zeitung": "Ich erwarte keine dramatischen Änderungen," eher werde es um die Festschreibung des bereits Bestehenden geben, "vielleicht ein paar versteckten Verbesserungen für die Volksgruppen".

Tichy Heinz: Die europäische Charta der Regional- oder Minderheitensprachen u. das österr. Recht, ISBN 3-85013-791-0, 145 S., ATS 220 .