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Mehr Sachlichkeit beim Thema Bundesbahnen

Von Sylvia Leodolter

Gastkommentare

Der öffentliche Verkehr in Österreich kann sich im Europa-Vergleich absolut sehen lassen, nur die Schweizer und Ungarn sind häufiger mit der Bahn unterwegs; der Anteil von Bahn, Bus, Straßenbahn und U-Bahn am gesamten Landverkehr ist mit rund 25 Prozent nur in vier mittel- und osteuropäischen Ländern mit Nachholbedarf im Pkw-Verkehr noch (mit abnehmender Tendenz) höher. Trotzdem liest und hört man fast wöchentlich neue Angriffe vor allem auf ÖBB und Verkehrsministerium. Die Interessen der Fahrgäste und Berufspendler an einem attraktiven und leistbaren öffentlichen Verkehr kommen dagegen kaum vor.


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Woran liegt das? Wieso sind wir im Gegensatz zur Schweiz nicht stolz auf unsere Bahn und den öffentlichen Verkehr, der entscheidend zu mehr Lebensqualität und einer Verbesserung der Klimabilanz beiträgt? Weder sachlich fundiertes Lob noch berechtigte Kritik an der Bahn ist anscheinend möglich, jede Äußerung wird zu einem (partei)politischen Statement umfunktioniert. Wenn der Rechnungshof etwa die Zahlungen des Bundes für gemeinwirtschaftliche Leistungen unter die Lupe nimmt wie jüngst, dann interessiert in der Mediendebatte daran vor allem die politische Schuldzuweisung. Dabei geht aus dem Bericht klar hervor, dass nicht die derzeitige Verkehrsministerin hauptverantwortlich ist, sondern auch ihre Vorgänger in anderer politischer Konstellation und die Länder, die Veränderungen bei der Finanzierung des öffentlichen Verkehrs bremsen. Die Schritte zur Beseitigung der Mängel kommen in den Medien nur am Rande vor.

Dabei verdient die derzeit intensiv vorangetriebene Neugestaltung der gemeinwirtschaftlichen Leistungsverträge zwischen Bund und Verkehrsunternehmen mit umfangreichen Qualitätskriterien öffentliche Aufmerksamkeit. Es geht um die konkrete Gestaltung des öffentlichen Auftrags der Bahn. In der Schweiz wurde längst - wie vom Rechnungshof eingemahnt - das Grundangebot, das öffentlich finanziert werden soll, klar auf gesetzlicher Basis normiert. Aber nicht nur die Bestellungen des Bundes sollten klarer definiert und kontrollierbar gestaltet werden, sondern auch jene der Länder. Sie bestellen Nahverkehrsleistungen beim ÖBB-Personenverkehr, die allerdings zusammen nur etwa 18 Prozent jener des Bundes ausmachen. Eine breitere Öffentlichkeit sollte Einblick in diese Vertragswerke, in Kriterien und Qualitätsanreize im Interesse der Fahrgäste nehmen können und sehen, was der öffentliche Nahverkehr Bund und Ländern wert ist und was nicht. Das würde der Verkehrspolitik nutzen. Einziger Nachteil: Damit lässt sich weniger leicht politisches Kleingeld machen.

Die größte Gefahr bei der ÖBB-Diskussion ist, dass tatsächliche Mängel und Probleme zwar willkommene politische Aufmerksamkeit liefern, diese aber nicht zur Verbesserung sondern zum weiteren Aushungern des öffentlichen Verkehrs missbraucht wird. Auch wenn die Kriterien für die Förderung des Nahverkehrs sicherlich geschärft und neu gestaltet werden müssen, dürfen die erforderlichen Mittel nicht einfach gestrichen werden. Denn dann bleiben die Fahrgäste im wahrsten Sinne des Wortes "auf der Strecke".

Sylvia Leodolter leitet die Abteilung Umwelt und Verkehr der Wiener Arbeiterkammer.