Die EU-Kommission möchte mittels einer Richtlinie Mindeststandards einführen, um Aufdecker zu schützen.
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Fälle wie Dieselgate, Panama Papers und Luxleaks haben gezeigt, welche bedeutende Rolle sog. "Whistleblowern", also Hinweisgebern, bei der Enthüllung von Missständen zukommt. Ohne deren Weitergabe von Informationen an die Öffentlichkeit würden die genannten Skandale wohl weiterhin unter Verschluss stehen und andauern. Dabei gehen die Aufdecker ein hohes persönliches Risiko ein, denn nicht selten drohen aufgrund des Loyalitätsbruchs negative Konsequenzen. Die möglichen Repressalien reichen von der Kündigung des Arbeitsplatzes über die gerichtliche Verfolgung wegen Verletzung eines Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisses bis hin zu Schadenersatzforderungen. Zudem drohen negative Reaktionen der Kollegen in Form von Mobbing, da nicht jeder die Entscheidung zur Aufdeckung von internen Missständen gutheißt. Die Europäische Union plant nun, EU-weite Mindeststandards für den Schutz von Whistleblowern einzuführen.
Immer mehr Behörden führen anonyme Meldesysteme
In Österreich führen immer mehr Behörden Whistleblowersysteme ein, die es dem Hinweisgeber ermöglichen, anonym Meldungen abzugeben. Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) betreibt bereits seit fünf Jahren ein internetbasiertes Meldesystem und auch die Bundeswettbewerbsbehörde hat vor kurzem ein solches nach dem Vorbild der WKStA eingeführt. Aber auch Unternehmen implementieren vermehrt Whistleblowersysteme, die anonyme Meldungen ermöglichen. Nicht zuletzt deshalb, damit sich Mitarbeiter nicht direkt an die Behörde wenden, sondern einen Verdacht zunächst unternehmensintern melden. Andernfalls könnte das betroffene Unternehmen unter Umständen keine Möglichkeit mehr haben, von der Kronzeugenregelung Gebrauch zu machen. Voraussetzung dafür ist nämlich, dass die Behörde noch keine Kenntnis vom Verstoß hat. Vorteil eines solchen Kronzeugen-Antrags ist entweder der gänzliche Erlass einer Geldbuße oder aber zumindest eine wesentliche Reduktion derselben.
Rein technisch besteht die Möglichkeit, Hinweisgebern durch bestimmte internetbasierte Systeme Anonymität zuzusichern. Der Wunsch des Whistleblowers nach Schutz gründet jedoch vor allem in der Angst vor negativen Konsequenzen im unmittelbaren Arbeitsumfeld durch Kollegen oder dem Arbeitgeber. In dieser Hinsicht bietet aber kein elektronisches System absoluten Schutz. Zu denken wäre an Szenarien wie die weitere Zusammenarbeit eines Mitarbeiters mit dem Arbeitgeber nach der Preisgabe von Informationen über Missstände innerhalb des Unternehmens. Der Mitarbeiter muss in dieser Situation immer damit rechnen, dass es unter Umständen, insbesondere im Zuge von Ermittlungen durch Behörden, doch möglich wird, Rückschlüsse auf ihn zu ziehen und Repressalien durch den Arbeitgeber folgen werden.
Genau solchen negativen Konsequenzen möchte die EU-Kommission nun entgegenwirken und hat vor kurzem einen Richtlinienentwurf vorgelegt, mit dem der gesetzliche Schutz für Whistleblower durch EU-weite Mindeststandards erhöht werden soll. Gegenwärtig werden Hinweisgeber in nur zehn EU-Mitgliedsstaaten gesetzlich vollumfänglich geschützt. Auch die österreichische Gesetzeslage ist diesbezüglich lückenhaft, weil nur bestimmte Personengruppen und Sektoren erfasst werden.
Der durch die Richtlinie geplante Schutz soll jedoch allen zukommen, die Verstöße gegen EU-Recht melden. Dabei werden Angestellte, Auftragnehmer und auch Praktikanten erfasst.
Erreicht werden soll dies vor allem dadurch, indem Unternehmen ab einer bestimmten Größe, aber auch die öffentliche Verwaltung künftig interne standardisierte Verfahren für den Umgang mit Meldungen zu implementieren haben. In der Privatwirtschaft besteht diese Pflicht laut Richtlinienentwurf für alle Unternehmen mit mehr als 50 Beschäftigten oder einem Jahresumsatz von mehr als 10 Millionen Euro. Zudem werden sämtliche Vergeltungsmaßnahmen - wie beispielsweise in Form von Mobbing oder einer Entlassung - untersagt und sollen geahndet werden. Werden diese dennoch gegenüber dem Whistleblower gesetzt, so soll die Beweislastumkehr gelten: Das Unternehmen hat zu beweisen, dass es nicht zu Vergeltungsmaßnahmen gekommen ist.
Aufholbedarf auch in Österreich
In Österreich gibt es keine allgemeine Regelung zum Schutz von Whistleblowern, vor allem keinen Kündigungsschutz. Zwar findet sich im Beamtendienstrecht eine durch die Dienstrechts-Novelle 2011 eingeführte Bestimmung, wonach Beamten im Falle einer Meldung Schutz vor Benachteiligungen zugesichert wird. Dieser ist jedoch begrenzt auf Korruptionsdelikte und zudem muss die Meldung an die Dienstbehörde oder das Bundesamt für Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung erfolgen. Beamte, die sich mit Informationen an die Öffentlichkeit wenden möchten, sind somit nicht erfasst. Eine ähnliche Bestimmung findet sich auch im Börsegesetz, durch das die Finanzmarktaufsicht verpflichtet wird, ein Verfahren einzuführen, wodurch Personen, die Verstöße gegen das Marktmissbrauchsregime melden, Schutz vor Vergeltung und Diskriminierung zukommt.
Der Richtlinienentwurf ist als positiver Schritt zu sehen, die vorhandenen Schutzlücken für Hinweisgeber zu schließen. Zur Umsetzung bedarf es nun der Zustimmung zum Entwurf durch den EU-Ministerrat und dem Europäischen Parlament. Danach müssen die Mitgliedsstaaten die Richtlinie in nationales Recht umsetzen. Dieses gesamte Verfahren kann mehrere Jahre in Anspruch nehmen, sodass es noch einige Zeit dauern wird, bis Whistleblower tatsächlich vom geplanten Schutz profitieren können.