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Mehr Schutz vor sexueller Belästigung am Arbeitsplatz

Von Martina Madner

Politik

Neben Fristverlängerungen und höherem Schadenersatz im Gesetz sollten Unternehmen präventive Konzepte erarbeiten.


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Mehr als ein Viertel der Frauen, konkret 27 Prozent, sagen laut Statistik Austria, sie haben sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz erlebt. Die Arbeiterkammer Wien hat die rund 150 Beratungs- und Vertretungsfälle zum Thema in den vergangenen fünf Jahren, also die Spitze des Eisbergs, analysiert.

Es zeigt sich, dass nur wenige Betroffene sich dafür einscheiden, vor Gericht zu gehen. In den 33 Fällen aber, die diesen Weg einschlagen mussten, zeigt sich, dass es ein erfolgsversprechender Weg sein kann: 75 Prozent der Urteile gingen zugunsten der von sexueller Belästigung Betroffenen aus.

Jüngere in der Beratung

Bianca Schrittwieser, die Leiterin der Arbeitsrechtsberatung der AK Wien, schildert den Fall einer Kellnerin, die von ihrem Vorgesetzen - gleichzeitig der Lebensgefährte der Chefin - belästigt wurde. Sie wurde immer wieder als Schlampe beschimpft, er griff ihr wiederholt auf das Gesäß und die Oberschenkel. "Als die Arbeitsnehmerin der Chefin die Belästigung meldete, meinte die nur, dass sie noch jung sei und lernen müsse, mit diesem Verhalten umzugehen", sagt Schrittwieser.

Der Fall ist typisch: Die Betroffenen sind zu 91 Prozent Frauen. Jeder fünfte Fall war im Gastgewerbe, jeder zehnte im Handel, jeder zwanzigste im Metallgewerbe. Knapp die Hälfte der Betroffenen meldete den Vorfall den Arbeitgeberinnen oder Betriebsräten. In der Hälfte der gemeldeten Fälle gab es keine entsprechende Reaktion: "Ganz selten wurde wirksam dagegen eingeschritten, sondern die Vorfälle ignoriert", ergänzt Ludwig Dvořák, Leiter des gesamten Bereichs Arbeitsrecht der Arbeiterkammer Wien.

Dvořák hat die 33 Fälle, die vor Gericht gingen, genauer unter die Lupe genommen. Es zeigt sich, dass die Personen zwischen 16 und 60 Jahre alt waren. Jene, die sich nach einer Beratung gegen gerichtliche Maßnahmen oder gleich für eine außergerichtliche Einigung auf Schadensersatz entschieden, waren deutlich jünger. Die mit 13 Prozent größte Altersgruppe in der Beratung waren jene im Alter von 19 Jahren oder jünger - also Lehrlinge.

Fristen verlängern

Die sexuelle Belästigung startet meistens schon bei Beginn des Dienstverhältnisses, erläutert Dvořák: "Die meisten berichten uns, dass es innerhalb weniger Tage, weniger Wochen zu Belästigungserfahrungen gekommen ist." Die Aufmerksamkeit für das Thema komme in Wellen, sagt Schrittwieser: "Seit der #Metoo-Bewegung gibt es einen Anstieg bei den Beratungen. Das hat zur Sensibilisierung beigetragen, oft sind auch prominente Fälle in den Medien ein Anstoß, sich beraten zu lassen." Das Dienstverhältnis ist dann in 71 Prozent der Fälle bereits beendet. Aber nicht nur das, es kann auch sein, dass der Vorfall verjährt. Die Frist, innerhalb derer Betroffene gegen geschlechtsbezogene Belästigung, also beispielsweise abwertende Witze über Frauen, vorgehen können, endet nach einem Jahr. Sie solle wie bei sexueller Belästigung auf drei Jahre verlängert werden, fordern Dvořák und Schrittwieser.

Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber müssten verstärkt ihrer Fürsorgepflicht für die Beschäftigten nachkommen. Um die Sicherheit am Arbeitsplatz zu erhöhen, brauche es auch Präventionskonzepte, klare Grenzen, Schulungsmaßnahmen und Ablaufpläne für den Fall der Fälle in den Unternehmen. Auch der Mindestschadenersatz solle von 1.000 Euro auf 5.000 Euro angehoben werden, wenn Arbeitgeber kein Präventionskonzept vorweisen können. Davon erhofft sich die AK einen Anreiz, dass Unternehmen mehr als Prävention machen, etwa speziell in gewalt- und diskriminierungsfreier Sprache schulen, ist im AK-Folder zum Thema vermerkt.

Betroffene können sich außerdem an die Arbeitsrechtsberatung der AK wenden, die sie gegebenenfalls auch bei Gericht vertritt. Darüber hinaus gibt es mit Act4Respect eine mit dem Verein Sprungbrett betriebene Hotline, an die sich insbesondere auch junge Frauen vertraulich und kostenlos und auf Wunsch auch anonym wenden können: Die österreichweit erreichbare Hotline 0670 600 70 80 ist am Montag von 11 bis 14 Uhr und am Donnerstag von 16 bis 19 Uhr besetzt.