Die ÖVP setzt im Wahlprogramm auf Sanktionen für nachlässige Eltern, aber auch mehr Sozialarbeiter und ein Fach Staatskunde. Die Auflösung der Identitären ist Koalitionsbedingung.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 5 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Wien. (ett) "Oberstes Ziel ist, dass wir unsere österreichische Identität aufrechterhalten." Für ÖVP-Obmann Sebastian Kurz sind deswegen verstärkte Maßnahmen zur Integration von Zuwanderern zentraler Bestandteil des insgesamt 100 Projekte umfassenden Programms für eine erneute Regierungsarbeit. Die Palette reicht von einer Reduktion von Sozialleistungen von Eltern, die ihre Erziehungspflichten bei Schülern vernachlässigen, über strengere Regeln für arbeitslose Asylberechtigte bis zum Verbot des politischen Islam.
Verbot der Identitärenals Koalitionsbedingung
Trotz der Bedenken von Verfassungsexperten lässt sich die ÖVP auch nicht von der Auflösung extremistischer Vereine abbringen. Grundsätzlich soll dies durch eine Änderung im Vereinsrecht sowohl für politisch als religiös motivierten Extremismus gelten. "Da wünsche ich mir einen wehrhafteren Staat", sagte Kurz am Dienstag.
Die ÖVP hat noch vor der Nationalratswahl am 29. September einen Antrag im Nationalrat angekündigt, um damit vor allem auch die rechtsextreme Identitäre Bewegung aufzulösen. Derzeit ist das nur bei Verstößen gegen das Strafgesetz möglich. Der frühere Koalitionspartner FPÖ hat diesbezüglich bereits abgewunken, die SPÖ will ein Verbot prüfen lassen.
Der ÖVP-Obmann wird beim Vorhaben des Verbots extremistischer Vereine und der Identitären auch nach der Wahl nicht mehr locker lassen: "Es ist klar formuliert als Koalitionsbedingung." Die Vollziehung des neuen Vereinsgesetzes würde beim Innenminister liegen. Kurz hat dennoch keine Bedenken hinsichtlich Willkür im Falle einer strengeren Regelung zur Auflösung extremistischer Vereine: "Egal, wer Innenminister ist, er kann nur die Gesetze vollziehen."
Jedenfalls erst nach der Wahl ist von der ÖVP ein gesetzliches Verbot des politischen Islam geplant. Wer sich betätigt, dem soll eine Freiheitsstrafe drohen. Nach Ansicht von Kurz ist das rechtlich möglich. Türkis-Blau hat bereits ein Verbot von Symbolen von Organisationen des politischen Islam beschlossen.
Bei der Migration und der Integration setzt die ÖVP ganz auf die Fortsetzung des restriktiven Kurses der vergangenen türkis-blauen Bundesregierung. Begründet wird dies damit, dass sich die Gesellschaft durch Zuwanderung bereits massiv verändert habe. 20 Prozent der Bevölkerung haben bereits Migrationshintergrund. Wer in Österreich bleibe, müsse aber auch die Werteordnung akzeptieren. Deswegen sollen unter anderem die bereits angebotenen Wertekurse für Zuwanderer ausgebaut werden.
Im Schulbereich werden nach den Plänen der ÖVP vor allem die von der türkis-blauen Koalition eingeführten Deutschklassen, die ein "wichtiger Schritt" gewesen seien, jedenfalls fortgeführt. In diesen Klassen werden Schüler 15 bis 20 Wochenstunden extra in Deutsch unterrichtet. Das Bildungsministerium erwartet, dass im heurigen Schuljahr statt rund 9800 Schülern nur 6300 eine Deutschförderklasse besuchen.
Neu ist, dass die ÖVP in ihrem Wahlprogramm die Einführung des Fachs Staatskunde als Pflichtfach ab der fünften Schulstufe vorsieht. In diesem neuen Fach sollen Grundzüge der österreichischen Verfassung und des Rechtsstaates unterrichtet werden, aber auch Werte und prägende Traditionen in Österreich. Die ÖVP bekennt sich darüber hinaus klar zum Kreuz im Klassenzimmer.
In zwei Punkten sollen bisherige Regelungen ausgeweitet werden. Nach dem Kopftuchverbot in Volksschulen wird dieses von der ÖVP nun für Kinder bis 14 Jahre und für Lehrerinnen verlangt.
Bei Gewalt in der Schule und bei Verletzungen der Schulpflicht strebt die ÖVP an, Eltern, die ihre Erziehungspflichten vernachlässigen, notfalls auch mit Sanktionen zu belegen. Vor allem in Familien mit Migrationshintergrund mangle es oft an Problembewusstsein. "Es braucht einen gewissen Druck auf Eltern", betonte Kurz. Wenn andere Maßnahmen keinen Erfolg haben, würde demnach eine Kürzung der Familienbeihilfe ermöglicht. Außerdem soll die Kürzung weiterer Sozialleistungen geprüft werden. Konkrete Bestimmungen sollen dann bereits im ersten Jahr der neuen Regierung ausgearbeitet werden.
Bemerkenswert war, dass sich jetzt auch Kurz für mehr Sozialarbeiter im Schulbereich zur Unterstützung der Lehrer ausspricht. "Es gibt ein Problem", räumte der ÖVP-Obmann ein. Auf eine Zahl legte er sich in diesem Zusammenhang allerdings nicht fest. Das müsse je nach Bedarf an den jeweiligen Schulen angepasst werden, meinte er. Von Schulseite war in der Vergangenheit kritisiert worden, dass die ÖVP-FPÖ-Koalition Mittel aus dem Integrationstopf gekürzt hat.
Für Schüler mit Lern- oder Sprachdefiziten, speziell aus Zuwandererfamilien, sowie bei Verhaltensauffälligkeiten möchte die ÖVP die Unterstützung ausweiten. Für diese sind verpflichtend am Nachmittag, aber auch in den Schulferien Lernzeiten mit speziell geschulten Lehrern vorgesehen, um Defizite aufzuholen.
Verschärfung für arbeitslose Asylberechtigte
Eine Verschärfung strebt die ÖVP schließlich beim Bezug von Arbeitslosengeld vor allem für junge Asylberechtigte ohne Beschäftigung an. Für Asylberechtigte ist daher eine Verschärfung der sogenannten Zumutbarkeitskriterien bei der Jobvermittlung vorgesehen. "Hier braucht es ein Nachschärfen", sagte der ÖVP-Chef. Damit möchte die ÖVP erreichen, dass anerkannte Flüchtlinge, von denen viele in Wien leben, leichter überregional etwa zur Arbeit im Tourismus in Tirol vermittelt werden können. Hintergrund ist, dass rund 30.000 Asylberechtigte arbeitslos sind, während Tourismusbetriebe in Westösterreich Personal suchen.