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Mehr vom freien Spiel, bitte!

Von Reinhard Göweil

Leitartikel

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Es war ein ziemlich ungewohntes Bild im Nationalrat. Die SPÖ-Abgeordneten standen - mit der Opposition - auf, um einem Gesetz zur Uni-Finanzierung zuzustimmen. Die ÖVP-Abgeordneten blieben sitzen. Ein freies Spiel der Kräfte im Parlament, wie von Kanzler Christian Kern angekündigt.

Die Welt drehte sich nach der Abstimmung weiter, die Sonne verfinsterte sich nicht. Zwar versuchte der von der ÖVP stammende (und fürs Uni-Budget zuständige) Wissenschaftsminister Harald Mahrer argumentativ dagegenzuhalten, aber da war der Zug abgefahren. Sebastian Kurz war nicht auf der Regierungsbank, die ÖVP hat die Entscheidung der SPÖ kalt erwischt.

Ironischerweise konnte sich die SPÖ bei der Finanzierung der Universitäten, wie jetzt beschlossen, auf einen Vorschlag von Ex-ÖVP-Chef und Ex-Vizekanzler Reinhold Mitterlehner berufen. Dieser hatte tatsächlich die nun beschlossene Aufstockung um 1,35 Milliarden Euro vorgeschlagen. Zwar hatte Mitterlehner dies mit einer Studienplatzfinanzierung - dem neuen Politsprech für Studiengebühren - gekoppelt, aber Mitterlehner ist halt nicht mehr da.

Es hätte für das freie Spiel der Kräfte, das Kanzler Christian Kern nach der Aufkündigung der Koalition durch Kurz angekündigt hatte, lohnendere Gesetzesvorhaben gegeben. Aber es ist auch kein schlechtes Beispiel, denn es geht inhaltlich um die Qualität der höheren Ausbildung von Jungen. Und die SPÖ hat der ÖVP eine herbe Niederlage im Vorfeld der für Samstag geplanten triumphalen Einsetzung von Kurz als neuem Chef beim ÖVP-Parteitag in Linz beschert. Strategisch ist festzuhalten, dass die ÖVP diese Nationalratssitzung sträflich unterschätzt hat. Es hätte ihr klar sein müssen, dass ein Charakter wie Kern dem Kurz-Kanzler-Drehbuch nicht tatenlos zusieht.

Den Rektoren der Universitäten kann das egal sein, sie werden mit diesem Gesetz aus einer - wegen der Wahl am 15. Oktober - tatsächlich drohenden Finanzklemme befreit.

Für die Grünen und die Neos ist das nun mit der SPÖ beschlossene Gesetz ein politischer Erfolg, den sie in der Wahlauseinandersetzung für sich nutzen können. Auch für die Demokratie war der gestrige Tag erfreulich. Er hat gezeigt, dass es auch ohne den zwischen SPÖ und ÖVP vereinbarten Klubzwang funktioniert. Der 15. Oktober (und die Zeit danach) wird immer spannender.