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Mehr vom Richtigen

Von Walter Hämmerle

Leitartikel
Walter Hämmerle.
© Luiza Puiu

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Die Einigung auf ein einheitliches Jugendschutzgesetz hat am Freitag zu euphorischen Reaktionen geführt, und zwar von Bund und Ländern. Nach 35 Jahren sei "Historisches" gelungen, waren sich alle einig. Als Nächstes wird es zu einer einheitlichen Regelung für die neun unterschiedlichen Varianten der Mindestsicherung kommen. Auf ausdrücklichen Länderwunsch übrigens.

Nur zur Klarstellung: Jugendschutz wie Sozialhilferecht sind Ländersache. Das gilt auch für Umweltschutz und Raumordnung, Kinderbetreuung, Katastrophenschutz, Tourismus sowie teilweise für das Pflichtschul- und Gesundheitswesen.

Die Freude der Länder über einheitliche Regelungen für Länderzuständigkeiten ist Wasser auf die Mühlen derjenigen, die davon überzeugt sind, dass der Föderalismus lieber heute als morgen das Zeitliche segnet - und davon gibt es gerade in und um Wien herum einige. Bemerkenswert ist, dass offensichtlich auch die Länder von Selbstzweifeln geplagt scheinen, was ihr Recht auf eine eigene Gesetzgebungskompetenz angeht. Zumindest in wesentlichen Bereichen, die ihnen die Verfassung zur eigenen Besorgung zuweist.

Es ist unübersehbar: Der Föderalismus ist in Österreich sogar bei den Nutznießern, den neun Ländern, in einer Sinnkrise angekommen. Zu Recht und hoch an der Zeit, wenn man sich den gegenwärtigen Zustand vor Augen hält. Über die Idee eines dezentralen Bundesstaats kann man getrost - und mit guten Argumenten hüben wie drüben - geteilter Meinung sein; für den Zustand des heimischen Föderalismus gilt dieses Recht nicht; einfach weil er, wo er nur kann, für unklare Verhältnisse und Verantwortlichkeiten sorgt sowie falsche Anreize setzt. Das schadet der Effizienz und, noch schlimmer, der demokratischen Qualität, weil die Bürger keine Chance haben, anhand der eigenen Lebensqualität und Geldbörse zu überprüfen, ob sie von kompetenten oder von überforderten, womöglich sogar korrupten Landespolitikern regiert werden.

Unübersehbar ist, dass die Länder sich neu aufstellen - personell wie politisch. Die alten Schlachtrösser - Pröll, Häupl, Pühringer, Niessl - sind Geschichte oder stehen unmittelbar vor dem Abgang, eine neue, pragmatischere Generation ist am Ruder. Womöglich gelingt es nun, den Föderalismus vom Kopf wieder auf die Füße zu stellen.

Das bedeutet im Kern eine sinnvolle Neuordnung der Kompetenzen. Jugendschutz und Mindestsicherung können nur ein Anfang gewesen sein. Und die Autonomie der Länder muss mit finanzieller Eigenverantwortung ausgestattet werden. Sollten das die Länder von sich aus ablehnen, ist es das Beste, das föderale Experiment als gescheitert zu betrachten.