Polizisten sollen künftig auch in der Freizeit eine Schusswaffe führen dürfen - Ambivalentes Signal, sagt Kriminalsoziologe Hammerschick.
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Wien. Ein bewaffneter Überfall auf eine Bank. Ein Polizist in Zivil. Letzterer ist dazu verpflichtet, sich selbst in der Freizeit in den Dienst zu stellen - wenn polizeiliches Einschreiten dringend notwendig ist und dieses erfolgversprechend scheint, so der Inhalt der entsprechenden Richtlinienverordnung. Damit dieses Einschreiten mehr Erfolg verspricht, fordern Polizeigewerkschaften seit langem, dass Polizisten auch in ihrer Freizeit Schusswaffen führen dürfen, ohne dass sie davor eine besondere Bedrohung geltend machen müssen. Nun ist diese Woche eine Novelle zum Waffengesetz in Begutachtung gegangen, die unter anderem besagt, dass Polizisten der Waffenpass künftig quasi automatisch ausgestellt werden soll. SPÖ, ÖVP und FPÖ sind sich darüber einig. Dass die öffentliche Wahrnehmung einer steigenden Bedrohung, genährt durch international beobachtete Terroranschläge und Übergriffe auf Polizisten, diese Gesetzesnovelle unterstützt, ist laut dem Kriminalsoziologen Walter Hammerschick nachvollziehbar. Er fürchtet aber auch, dass man damit ein falsches Signal ausschickt.<p>"Wiener Zeitung": Rechtfertigt es allein der Beruf des Polizisten, einen Waffenpass ausgestellt zu bekommen?<p>Walter Hammerschick: Polizisten sollten wohl eher imstande dazu sein, eine Waffe bewusst und kontrolliert zu tragen und auch einzusetzen. Das ist überhaupt keine Frage, sie lernen den Umgang mit der Waffe. Aber auch Polizisten sind Menschen und nicht davor gefeit, schlecht oder falsch zu reagieren oder die Waffe einzusetzen, wenn es nicht notwendig wäre. Niemand kann sich von einem Polizisten in der Freizeit dieselbe Aufmerksamkeit und Konzentration wie im Dienst erwarten. Im Dienst ist ein Polizist meist auch nicht alleine unterwegs.<p>Aber Polizisten sind ja dazu verpflichtet, sich selbst in ihrer Freizeit situativ in den Dienst zu stellen. Justizwachebeamte und Jäger sind das nicht, ihre Forderung nach einer ähnlichen Ausnahmeregelung floss daher nicht in den Gesetzesentwurf mit ein. Von Polizisten erwartet die Gesellschaft jedoch, dass sie sie beschützen, mitunter müssen sie sich selbst verteidigen -könnten sie das nicht mit einer Waffe besser?<p>Polizisten haben auch in ihrer Freizeit eine erhöhte Aufmerksamkeitspflicht. Bei dem gerne angeführten Beispiel eines Terroranschlags muss man aber davon ausgehen, dass der Polizist mit seiner Privatwaffe wenig ausrichten wird. Aus meiner Sicht ist das Ganze zweischneidig. Wenn Polizisten privat Waffen tragen dürfen, ändert das die Rahmenbedingungen. Kommt der Polizist dann als Privatperson in eine Situation, in der er sich in den Dienst stellen muss, dann macht er das mit der Waffe. Dadurch kann wiederum ein gewisser Druck entstehen, dass sich Polizisten auch als Privatpersonen bewaffnen sollen. Als Polizist würde ich mir das nicht wünschen. Sollte sich ein Polizist in einer solchen Situation falsch verhalten, wird das genauso zu beurteilen sein, als ob er regulär Dienst gehabt hätte.<p>Vielleicht würde es sich aber die Gesellschaft wünschen, weil allzeit bewaffnete Polizisten auch präventiv wirken könnten?<p>Einen generellen Präventionseffekt kann ich mir nicht vorstellen. Die Entwicklung könnte in eine ganz andere Richtung gehen. Menschen, die eine Straftat planen, könnten sich zum Beispiel vermehrt bewaffnen. Außerdem werden, wenn dem Polizisten der Waffenpass frei zugänglich ist, mehr Waffen in der Gesellschaft verteilt sein. Mehr Waffen in einer Gesellschaft steigern das Risiko, dass diese mitunter auch ungewollt angewandt werden. Mehr Waffen bedeuten auch mehr Risiko.<p>Wenn Polizisten Waffen in ihrer Freizeit verwehrt bleiben, könnte das aber am Sicherheitsgefühl in der Gesellschaft nagen. Das könnte wiederum dazu führen, dass sich diese selbst bewaffnet. Ein Trend in diese Richtung ist ja bereits bemerkbar, heute sind um fast 20 Prozent mehr Inhaber von Schusswaffen registriert als vor zwei Jahren. <p>Das Sicherheitsgefühl ist etwas, die nicht nur der Logik folgt. Es ist nicht notwendigerweise dann am höchsten, wenn die Sicherheit - nach möglichst objektiven Kriterien gemessen - hoch ist. In den vergangenen Jahren war die Sicherheit relativ hoch, wenn man sich am Sicherheitsbericht und der Anzeigenlage orientiert, und dennoch hat es Berichte gegeben, dass sich die Menschen nicht mehr so sicher fühlen. Auch wenn es auffallend ist, dass sich mehr Menschen eine Waffe kaufen, kann man aber nicht von einem Aufrüsten sprechen. Nur ein sehr kleiner Teil der Bevölkerung besitzt eine Waffe. Tatsache ist, dass das Sicherheitsgefühl stark von gesellschaftlichen Veränderungen abhängt.<p>Zum Beispiel von Flüchtlingsströmen? Wächst dadurch die Angst, dass Kriminelle ins Land kommen? In der Novelle zum Waffengesetz ist ja auch verankert, dass Asylwerber und unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhältige Drittstaat-Angehörige von diesem ausgeschlossen werden sollen - also gar keinen Antrag auf einen Waffenpass stellen können sollen.<p>Man muss bedenken, wie viele fremde Menschen nach Österreich gekommen sind. Mit mehr Menschen passiert mehr. Tatsächlich ist die Situation des vergangenen Jahres aber sehr gut bewältigt worden. Der absolute Großteil der Menschen auf der Flucht hat sich nichts zu Schulden kommen lassen, und viele Österreicher haben sich vorbildlich um diese Menschen gekümmert.<p>Warum fällt die langjährige Forderung der Polizeigewerkschaften nach einer Gesetzesänderung dann gerade jetzt auf fruchtbaren Boden?<p>Der Gesetzesentwurf fällt in eine Zeit, in der es eine öffentliche Wahrnehmung von gewissen Bedrohungen gibt. Das wird auch dafür genutzt, Dinge durchzusetzen, die manche Interessengruppen schon lange fordern. Der Entwurf ist jetzt politisch leichter durchzubringen.
Zur Person:
Walter Hammerschick
Der 54-Jährige absolvierte nach seinem Studium der Rechtswissenschaften in Salzburg ein Kriminologiestudium an der Bowling Green State University in Ohio. Seit 1991 ist er am Institut für Rechts- und Kriminalsoziologie tätig, dessen Geschäftsführer er seit 2008 ist.