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Mehr Wettbewerb für Notar und Rechtsanwalt?

Von Stephanie Dirnbacher

Wirtschaft
Rechtsanwälte sollen für ihre Beratungstätigkeit stärker haften. Foto: photos.com

Programm der Regierung lässt viele Fragen offen. | Geprüft wird kürzere Ausbildung für juristische Berufe. | Wien. Unverständnis bei der Österreichischen Rechtsanwaltskammer, Gelassenheit bei der Österreichischen Notariatskammer. Das sind die Reaktionen auf die Forderung des Regierungsprogramms nach mehr Wettbewerb bei den Freien Berufen.


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"Ich weiß nicht, wie man auf die Idee kommt, dass es zu wenig Wettbewerb unter den Anwälten gibt", meint Gerhard Benn-Ibler, der Präsident des Österreichischen Rechtsanwaltskammertags verwundert im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". "Es gibt mehr Anbieter als Nachfrage", weiß der Präsident. Weitere Maßnahmen zur Wettbewerbsstärkung unter den Rechtsanwälten seien deshalb "nicht erforderlich".

Wettbewerb existiert

"Wir stehen der Diskussion gelassen gegenüber", meint hingegen der Präsident der Österreichischen Notariatskammer, Klaus Woschnak. Er ist sich sicher, dass es bei den Notaren genug im Wettbewerb gibt. "Seit etwa sechs Jahren erbringen wir Vorleistungen auf das, was das Regierungsprogramm fordert", versichert er.

Die Punkte des Programms sehen neben einer Verstärkung des Wettbewerbs auch einfachere Zugangsbedingungen für die Freien Berufen vor. "Die Regierung muss dazu Stellung nehmen, weil diese Punkte Forderungen der Europäischen Kommission sind", erklärt Woschnak. Auch bei der Zugangserleichterung sieht er keinen Anlass zu handeln. "Die Anzahl der Notare ist zwar durch eine Liste des Justizministeriums begrenzt, sie ist aber in den letzten Jahren auf Initiative der Kammer erhöht worden", erklärt der Präsident.

Mehr Transparenz

In vielen Punkten lassen die Bestimmungen des Regierungsprogramms für Freie Berufe Fragen offen. Dass mehr Transparenz bei den Dienstleistungen und den Zulassungsverfahren gefordert wird, ist beiden Kammerpräsidenten unerklärlich. Benn-Ibler weist darauf hin, dass die Zulassung als Rechtsanwalt nach einem gesetzlich geregelten Verfahren abläuft. "Die Zulassung ist für jeden, der sich auch nur ein bisschen damit befasst, nachvollziehbar", meint Benn-Ibler überzeugt. Es sei ihm deshalb "völlig unklar, was mit der Bestimmung gemeint ist".

Auch Woschnak kann die Forderung nach mehr Transparenz für seine Berufsgruppe nicht nachvollziehen: "Unsere Zulassungsverfahren sind transparent genug."

Eine weitere Formulierung macht den Präsidenten Kopfzerbrechen: Laut Regierungsprogramm sollen Gebietsschutzregelungen "auf ihre Notwendigkeit überprüft werden". Einen Gebietsschutz gibt es aber weder bei Rechtsanwälten noch bei Notaren. Beide Berufsgruppen können bundesweit tätig werden. Benn-Ibler sowie Woschnak glauben deshalb, dass es sich hier um eine missglückte Formulierung handelt.

Auf heftigen Widerstand aus beiden Kammern stößt die Überlegung der Regierung, die Ausbildungszeiten von Notaren und Rechtsanwälten nach einer Überprüfung möglicherweise zu kürzen. "Gerade bei geistigen Dienstleistungen, wie sie ein Notar oder Rechtsanwalt erbringt, müssen die Ausbildungskriterien hoch sein", erklärt Woschnak. "Sie dienen der Qualitätssicherung."

Verschärfte Haftung?

Die Regierung möchte in ihrem Programm auch die Beraterhaftung verschärfen. Woschnak und Benn-Ibler fühlen sich davon nicht betroffen. "Unsere Haftung ist ohnehin schon unbeschränkt", erklärt Woschnak. Dasselbe gilt für Rechtsanwälte. "Sie haften voll nach dem Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch", so Benn-Ibler.