Die EU-Kommission verlängert die Frist für Spanien und Portugal, um die Budgetdefizite zu senken.
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Brüssel. Strafzahlungen wird es fürs Erste nicht geben. Viel ist im Vorfeld darüber spekuliert worden, ob Spanien und Portugal für ihre Versäumnisse bei der Senkung ihrer Budgetdefizite finanziell büßen werden. Doch von einer derartigen Verschärfung des laufenden Strafverfahrens sieht die EU-Kommission im Moment ab. "Das ist nicht der richtige Zeitpunkt dafür - weder wirtschaftlich noch politisch", erklärte Wirtschaftskommissar Pierre Moscovici bei der Präsentation der länderspezifischen Empfehlungen, die den EU-Staaten auf ihrem Weg zu mehr Haushaltsdisziplin helfen sollen. Stattdessen setzt die Behörde einmal mehr auf eine Fristverlängerung. Portugal soll nun bis Ende des Jahres Zeit erhalten, die Vorgaben zu erfüllen. Spanien wiederum muss sein übermäßiges Defizit im kommenden Jahr korrigieren. Heuer wird dieses nämlich noch klar über der zulässigen Drei-Prozent-Marke liegen: laut Prognosen bei 3,9 Prozent der Wirtschaftsleistung. Im Vorjahr lag die Neuverschuldung sogar über jener Portugals, wo sie 4,4 Prozent betrug. Dennoch haben die zwei Staaten in den vergangenen Jahren Reformanstrengungen unternommen - und auch wenn die Wirtschaft nur bescheiden wachse, sollten die Budgetregeln nicht dazu dienen, das zu bremsen, befand Moscovici.
Neuwahlen abwarten
Außerdem gibt es politische Hürden: In Spanien ist es nicht gelungen, eine Regierung zu bilden. Ende Juni finden daher Parlamentswahlen statt. In Portugal wiederum ist das linksgerichtete Kabinett vom Sparkurs abgerückt. Allerdings sicherte es schon zu, dass heuer das Haushaltsdefizit unter drei Prozent gesenkt werde. Die Kommission will im Juli über die Lage in beiden Staaten erneut beraten. Ob bis dahin eine neue Regierung in Madrid fix ist, bleibt freilich offen. Und bei einem Wahlsieg des Konservativen Mariano Rajoy könnten die nächsten Irritationen folgen. Denn der Premier, der nur noch geschäftsführend im Amt ist, hat schon weitere Steuererleichterungen angekündigt - trotz der Sparvorgaben. Einen Aufschub bekommt ebenfalls Italien. Dessen ökonomische Situation wird im November genauer geprüft. Zwar geht dort - wie in Belgien und Finnland -die Staatsverschuldung über die im Stabilitätspakt festgelegte Grenze hinaus, doch will die Kommission zunächst von der Einleitung eines Defizitverfahrens absehen. Beendet werden soll dieses wiederum im Fall Zyperns, Irlands und Sloweniens. Ansonsten laufen noch sechs derartige Verfahren; neben Spanien und Portugal sind davon Griechenland, Frankreich, Kroatien und Großbritannien betroffen. Trotzdem ortet die Kommission eine positive Entwicklung. So hat sich der Schuldenstand in der Eurozone von 6,1 Prozent im Jahr 2010 auf 1,9 Prozent heuer verringert. Dennoch müsse die europäische Wirtschaft schneller gestärkt werden, um dem langsameren globalen Wachstum und ökonomischen Unsicherheiten entgegenzuwirken. Der Motor sei anzulassen, beschrieb es Moscovici: "Wir haben weniger Wind in den Segeln. Und mit Rudern werden wir uns schwertun."
Ratschläge an Österreich
Daher hat die Brüsseler Behörde für alle Mitgliedstaaten wirtschaftspolitische Empfehlungen parat. Strukturreformen sieht sie für ebenso nötig an wie eine Modernisierung der Arbeitsmärkte sowie eine Stärkung der Beschäftigung. In Österreich beispielsweise ortet sie ein zu wenig ausgeschöpftes weibliches Potenzial: Die Beschäftigungsquote von Frauen sollte erhöht werden. Und auch wenn die Jugendarbeitslosigkeit im europäischen Vergleich gering ist, sollte die Ausbildung "benachteiligter Jugendlicher" verbessert werden - vor allem jener aus Migrantenfamilien. Den österreichischen Bankensektor hat die Kommission ebenfalls unter die Lupe genommen. Der Branche bescheinigt sie durchaus "Widerstandsfähigkeit", doch gebe es auch Herausforderungen: etwa durch die unterdurchschnittliche Kapitalisierung, geringe Rentabilität und verminderte Qualität des Kreditportfolios der Tochtergesellschaften im Ausland. Die Ausrichtung der Geldhäuser auf Mittel-, Ost- und Südosteuropa bringe zwar Gewinne, berge aber ebenfalls Risiken, heißt es im Länderbericht.
Allerdings sind Empfehlungen eine Sache - und deren Umsetzung durch die Staaten eine andere. Darauf weist der Industrie-Dachverband Businesseurope hin. Er beruft sich auf eine Umfrage unter seinen Mitgliedern, die fanden, dass im Vorjahr fast alle Ratschläge der Kommission - 88 Prozent davon - die richtigen Schwerpunkte hatten. Befolgt hätten die Länder aber gerade einmal ein Fünftel der Empfehlungen.