Bereits vor Beginn des Runden Tisches gestern Abend im Bundeskanzleramt war klar, dass die Verhandlungen über das Budget 2003/04 samt Budgetbegleitgesetz im Budgetausschuss auch heute nicht abgeschlossen werden. Möglicherweise findet die Schlussabstimmung sogar erst kommende Woche statt. Für den Fall, dass die Regierung zu keinen "substanziellen" Änderungen in der Pensionsreform kommt, kündigte ÖGB-Präsident Fritz Verzetnitsch weitere Streiks an. Die FPÖ bleibt dabei, Qualität müsse vor Terminen gehen.
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Die Abstimmung im Budgetausschuss muss theoretisch 24 Stunden vor der Beschlussfassung im Nationalrat erfolgen, also am 3. Juni. Allerdings bliebe dann der Spielraum für formale Aufgaben sehr klein. Ursprünglich hatte die Koalition eine Beschlussfassung für vergangenen Dienstag geplant gehabt, diese aber vertagt.
Auch gestern wieder stellte die FPÖ klar, dass der Termin 4. Juni im Nationalrat nachrangig sei, es gehe um die Substanz. Das habe auch die ÖVP schon erkannt, wie Vizekanzler Herbert Haut erklärte. Burgenlands FP-Obmann Stefan Salzl schlug vor, die Pensionsreform aus dem Druck der Budgetverhandlungen herauszunehmen. Er berichtete, dass es derzeit - "nach Gesprächen mit Parteifreunden, die im Nationalrat sitzen - nicht nur eine breite, sondern wahrscheinlich eine einhellige Ablehnung" des derzeitigen Entwurfes gebe. "Wir werden diesem Pensionsreformentwurf nicht zustimmen", bestätigte auch Kärntens FP-Obmann Martin Strutz.
Eine Andeutung, dass die FPÖ die ÖVP von einem späteren Nationalratstermin überzeugen konnte, machte Staatssekretärin Ursula Haubner gestern: "Wir haben unseren Koalitionspartner in vielen Dingen überzeugen können und sind damit nicht immer an die Öffentlichkeit gegangen." Man werde "ohne Zeitdruck" verhandeln. Haubner forderte, dass die Durchschnittspensionen nicht mehr gekürzt werden dürfen.
Opposition und Gewerkschaft bleiben ebenfalls bei ihrer Ablehnung der Pensionsreform in dieser Form. Der von ÖVP-Klubobmann Wilhelm Molterer angekündigte "Feinschliff" etwa bei der "Hacklerregelung" ist GPA-Vorsitzendem Hans Sallmutter zu wenig, um "Abwehrstreiks" zu verhindern. "Da gehört völlig neu geplant und entworfen." Angesichts der angespannten Lage am Arbeitsmarkt müsse es Änderungen bei den Frühpensionen geben. Inakzeptabel sind für Sallmutter auch "radikale Kürzungen" der Pensionen um bis zu 50 Prozent der heute 30- bis 40-jährigen. Ohne Annäherung in diesen Eckpunkten hätten "weiter Gespräche mit der Regierung keinen Sinn".
Der Vorsitzende der Gewerkschaft Druck, Journalismus, papier, Franz Bittner, kündigte gewerkschaftliche Maßnahmen bereits für heute an, sollte sich nichts ändern. Diese Streiks müssten aber "mehr wehtun".
Die Arbeiterkammer sieht keine Notwendigkeit, die Pensionsreform so rasch wie geplant umzusetzen. Denn bis 2007 würden auch ohne Änderung der Gesetze die Kosten des systems und die Bundeszuschüsse fallen, erläuterte AK-Sozialexperte Josef Wöss. Erst ab 2010 oder 2015 gebe es wirklich Reformbedarf aufgrund der demographischen Entwicklung.
SPÖ-Vorsitzender Alfred Gusenbauer ist davon überzeugt, dass die Pensionsreform am 4. Juni in dieser Form nicht beschlossen wird. Entweder es komme zu keiner Abstimmung, oder es komme ein ganz anderes Paket, oder Bundeskanzler Schüssel werde mit einer Abstimmungsniederlage konfrontiert sein. Grünen-Chef Alexander Van der Bellen ortet eine "Regierungskrise".