Zum Hauptinhalt springen

Mehrere Nummern zu groß

Von Walter Hämmerle

Leitartikel

Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 11 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Syrien kommt für die europäische Außenpolitik um etliche Jahre, wahrscheinlich sogar Jahrzehnte zu früh. Den Streit um Waffenlieferungen an die Rebellen daher zum großen Scheitern zu stilisieren, ist sinnlos. So schnell lässt sich die nationale Politik langer Jahrzehnte nicht zu einem Einheitsstandpunkt integrieren. Das neutrale Österreich etwa kann gar nicht anders, als sich mit aller Vehemenz gegen die Aufrüstung der Aufständischen auszusprechen. Andernfalls würden die UNO-Soldaten am Golan zur Partei in dem Konflikt. Mit unabsehbaren Folgen für die Lage im Dreiländereck Syrien, Israel und Libanon.

Großbritannien und Frankreich, die beiden stärksten Befürworter direkter Waffenlieferungen, handeln wiederum in ihrer Tradition als Ordnungsmächte in dieser Region. Alle anderen EU-Staaten stehen irgendwo zwischen diesen Polen. Ein Kompromiss, der mehr als nur die Divergenzen verdeckt, ist also unmöglich.

Was bedeutet dieses Scheitern für das Langfristziel einer gemeinsamen, zumindest sinnvoll koordinierten Außenpolitik? Bei nüchterner Betrachtung: nichts - abgesehen von der sattsam bekannten Erkenntnis, dass der Weg dorthin weit und steinig ist.

Entscheidungen wie jetzt zu Syrien stehen am Ende, nicht am Anfang eines solchen Prozesses. Wenn nicht einmal die USA in der Lage sind, eine kohärente Strategie für diesen Bürgerkrieg zu entwickeln, geschweige denn diese in harte Politik zu übersetzen, wie soll das dann 27 außenpolitisch souveränen Staaten gelingen? Syrien ist mindestens drei Nummern zu groß für ein Europa, dessen gesamte institutionelle Energie auf die Bewältigung der internen Probleme gerichtet ist.

Weitaus wichtiger als ein Auseinanderfallen der gemeinsamen EU-Position ist es, den Bürgerkrieg wenn schon nicht zu beenden, so doch zumindest einzugrenzen, statt ihn weiter eskalieren zu lassen. Nach dem Stand der Dinge scheint eine militärische Niederlage des Assad-Regimes derzeit in weite Ferne gerückt, die Rebellen in der Defensive. Vor diesem Hintergrund erfolgt im Juni der nächste Versuch, einer politischen Lösung.

Mit dem Streit erweckt der Westen nicht den Eindruck entschlossener Handlungsbereitschaft. Und das ist wohl der größte Fehler, den Europa und die USA begehen können.