Bande soll in Wien Schutzgeld erpresst haben. Die Angeklagten müssen bis zu zehn Jahre ins Gefängnis. Nicht rechtskräftig.
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Wien. Streng blickten die Justizwachebeamten auf die Angeklagten herab. Starr standen sie in kugelsicherer Weste vor ihnen. Eine Hand legten sie auf den Pistolengriff. Der erstinstanzliche Prozess gegen sechs Männer und eine Frau endete, wie er begonnen hatte: Unter strengsten Sicherheitsvorkehrungen. Von einem Dutzend Wachebeamten wurden die Angeklagten - der Großteil von ihnen befindet sich seit April 2016 in Untersuchungshaft - in den Gerichtssaal geführt und bewacht. Die Justizwache, selten war sie bei Strafprozessen in diesem Ausmaß präsent.
So präsent die Staatsgewalt auch sein mag, so wenig sollen die Angeklagten laut Staatsanwaltschaft Wien von ihr halten. Die Angeklagten sollen der kriminellen Vereinigung "Struja" (auf Deutsch: Strom) angehören. Die mutmaßliche Bande soll in Wien im großen Stil Schutzgeld von Lokalbetreibern in Ottakring erpresst haben. Dabei soll sie rücksichtlos und brutal vorgegangen sein. Die Angeklagten haben "eine völlig gleichgültige Haltung gegenüber dem Rechtsstaat" gezeigt, meinte Staatsanwalt Felipe Trebuch in seinem Schlussplädoyer. "Nicht einmal in der Untersuchungshaft haben sich die Angeklagten an staatliche Regeln halten können", meinte er. So habe man bei ihnen Mobiltelefone gefunden, die sie nicht hätten besitzen dürfen. Ein Angeklagter habe zudem eine schwere Körperverletzung begangen, sagte er.
Zeuge in kugelsicherer Weste
Bereits im Oktober 2016 begann der Prozess gegen die mutmaßliche Bande vor einem Schöffensenat des Straflandesgerichts Wien (Vorsitz: Michael Tolstiuk). Die angeblichen Mitglieder mussten sich unter anderem wegen schwerer Erpressung und Körperverletzung verantworten.
Während der mehrmonatigen Verhandlung ging es mitunter turbulent zu: So sagte ein Zeuge in kugelsicherer Weste vor Gericht aus, weil auf ihn angeblich ein Kopfgeld in Höhe von 250.000 Euro ausgesetzt war. Auch sollen die Angeklagten Zeugen und Opfer eingeschüchtert haben, damit diese sie nicht belasten.
Um das Schutzgeld zu kassieren, soll die Gruppe zuerst Schlägereien in Lokalen angezettelt haben. Bei den Gewalttätigkeiten wurden Menschen teilweise schwer verletzt. Danach habe die Bande die Inhaber genötigt, von ihr vermittelte Türsteher anzustellen und Schutzgeld zu bezahlen, damit die Übergriffe aufhören. Auch eine Kellnerin, welche die finanzielle Gebarung des Lokals ausspioniert haben soll, habe der Inhaber anstellen müssen. Von einem Lokal soll die Bande so mehr als 100.000 Euro an Schutzgeld erpresst haben.
Die Angeklagten - zumeist muskulöse, stämmige Männer - stellen das in Abrede. Man bilde keine kriminelle Vereinigung, man kenne sich vielmehr über einen Boxklub, meinte etwa der 38-jährige Hauptangeklagte. Er soll laut Staatsanwaltschaft der Rädelsführer der Gruppe sein.
Belastet wurden die Angeklagten insbesondere von einem Lokalbetreiber und einem angeblichen früheren Bandenmitglied. Deren Aussagen seien völlig unglaubwürdig, meinte Verteidiger Herbert Eichenseder. Die Medienberichte, nach denen die Angeklagten ganze Lokalmeilen in ihren Händen gehalten haben, seien falsch, sagte wiederum Verteidiger Andreas Strobl. "Die Angeklagten haben sich über einen Boxklub gekannt. Das ist nicht strafbar." Auch kritisierte er die Ermittlungen. So habe es "massive Übersetzungsfehler" bei den Protokollen gegeben, so Strobl.
"Milde völlig fehl am Platz"
Staatsanwalt Trebuch sah das anders. Er gehe davon aus, dass es noch mehr Opfer gebe, die sich nicht trauen würden, auszusagen. Das Verhalten der Angeklagten sei "mit empfindlichen Freiheitsstrafen zu ahnden". "Irgendeine Milde walten zu lassen, wäre völlig fehl am Platz."
Einfach machte sich der Schöffensenat seine Entscheidung nicht: Für gute drei Stunden zog er sich zur Urteilsberatung zurück. Schlussendlich sprach er alle Angeklagten schuldig. Die mit Abstand höchste Strafe erhielt der 38-jährige Hauptangeklagte: Für ihn setzte es eine zehnjährige und unbedingte Freiheitsstrafe.
Die anderen Angeklagten fassten Freiheitsstrafen zwischen 18 Monaten und sechs Jahren aus. Die Frau wurde zu zwei Jahren Haft verurteilt, wobei ihr 16 Monate bedingt nachgesehen wurden. "Die Raufereien und Körperverletzungen waren bewusst gesteuert, um hier für Unruhe zu sorgen, damit sie später ihre Dienste anbieten können", sagte Richter Tolstiuk in seiner Urteilsbegründung. Die Zeugen - Lokal- und Geschäftsbesitzer - seien sehr glaubhaft gewesen.
Die Angeklagten wurden nicht in allen Anklagepunkten schuldig gesprochen. In einigen Fakten - Erpressung, Körperverletzung und Raub - gab es auch Freisprüche. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Staatsanwalt Trebuch meldete umgehend Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung an.