Österreich: "Reverse-Charge-Modell" in Aussicht gestellt. | Keine Lösung für heimisches 400-Millionen-Euro-Problem. | Hoffen auf Aufweichen der verhärteten Fronten im Herbst. | Luxemburg. Wieder keine Einigung auf eine Umstellung der Mehrwertsteuer für grenzüberschreitende Dienstleistungen: Beim Treffen der EU-Finanzminister am Dienstag blockierte Luxemburg. Österreich braucht eine Lösung bis Jahresende, um ein potentiell kostspieliges Problem mit in Deutschland geleasten Autos aus der Welt zu schaffen.
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Immerhin könnte es ab Sommer 2008 ein zeitlich befristetes Pilotprojekt für das so genannte Reverse-Charge-Modell gegen den EU-weit auf rund 60 Milliarden Euro pro Jahr geschätzten Mehrwertsteuerbetrug starten. Dabei entfällt die Pflicht zur Verrechnung der Umsatzsteuer zwischen Unternehmen, nur noch der Verbraucher müssten sie bezahlen. Die betrugsanfällige Vorsteuer wäre ausgeschaltet, so die Logik. Noch dieses Jahr soll die EU-Kommission jetzt die Möglichkeit seines solchen Pilotprojekts prüfen, haben die Finanzminister entschieden. Sollte die Evaluierung positiv verlaufen, werde seine Behörde noch heuer einen entsprechenden Gesetzesvorschlag für voraussichtlich drei Jahre machen, erklärte Steuerkommissar Laszlo Kovacs.
Pilotprojekt für Österreich rückt näher
Stimmen die Finanzminister dann einstimmig zu, könnte Österreich loslegen. Allerdings haben zahlreiche Länder wie Frankreich, Italien, Polen oder die Slowakei mit Reverse-Charge ganz grundsätzliche Probleme. Das Pilotprojekt könnte den Betrug in jene Länder mit herkömmlichem Steuersystem verlagern, neue Betrugsformen schaffen und den Binnenmarkt beeinträchtigen, fürchten sie. Mehr als einem Prüfbericht der Kommission konnten sie nicht zustimmen.
Das gab dem auf Reverse-Charge pochenden deutschen Finanzminister Peer Steinbrück beim letzten Treffen unter seinem Vorsitz immerhin die Möglichkeit, seine Blockade der Umstellung des Besteuerungsorts für Dienstleistungen aufzuheben.
Jetzt ist allerdings Luxemburg aus der Deckung gegangen. Es will im Konsumentenbereich weiterhin die Mehrwertsteuer im Land des Dienstleistungsanbieters verrechnen und nicht im Zielland, wie im Reformpaket vorgesehen. Es stünden nicht weniger als 220 Millionen Euro oder ein Prozent des gesamten Luxemburger BIP auf dem Spiel, erklärte ein Sprecher von Premier und Finanzminister Jean-Claude Juncker. Aufgrund der niedrigen Mehrwertsteuer sitzen etwa Skype, AOL, iTunes oder der Medienkonzern RTL in dem kleinen Großherzogtum.
Die Beratungen sollen unter portugiesischem Vorsitz im Herbst fortgesetzt werden. Und für Österreich wird es knapp. Denn derzeit schützt das Land nur ein EU-widriges Gesetz, das Ende 2007 ausläuft, vor dem möglichen Ausfall von 400 Millionen Euro Mehrwertsteuer pro Jahr. Die so genannte Eigenverbrauchssteuer verhindert, dass Firmen ihre Kfz in Deutschland leasen, wo dabei im Gegensatz zu Österreich Vorsteuer abgezogen werden kann. Österreichs Finanzminister Wilhelm Molterer gab sich zuversichtlich, dass "spätestens am 1. Jänner 2010" der neue Besteuerungsort gelten werde. Wie er die zwei Jahre dazwischen überbrücken möchte, wollte er nicht sagen.
Für den Fall, dass er die Eigenverbrauchsbesteuerung bis dahin einfach verlängern will, hat die EU-Kommission bereits eine Klage beim Europäischen Gerichtshof angekündigt.
+++ Wissen: Reverse Charge
Beim herkömmlichen Umsatzsteuer-System zwischen Unternehmen hat der Empfänger die Pflicht zur Umsatzsteuer-Zahlung, während der Erbringer der Leistung die Steuer dann (unter Abzug seiner eigenen Vorsteuer) an das Finanzamt abführt. Beim Reverse-Charge-System ist es umgekehrt: Der Leistungs-Empfänger muss die Umsatzsteuer abführen, ist aber gleichzeitig zum Vorsteuerabzug in derselben Höhe berechtigt, was Vereinfachungen bringt.