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Es ist wieder diese Zeit im Jahr. Menschen, die ins Freie treten, murmeln ein ermattetes "Oida, haaß." Busse fahren langsamer, weil sich alle Fahrgäste auf der Schattenseite sammeln und man selbst im urlaubsverwaisten Wien nicht wie Coconut Airlines durch die Straße taumeln kann. Und eine U-Bahn entwickelt sich zum gefürchtetsten Ort der Stadt: die U6. Es gibt allerlei Mythen, warum gerade diese Linie der olfaktorische Höllenschlund ist. Einmal abgesehen von so einfachen Erklärungen, wie Fahrgästen, die so stolz auf ihre Ausdünstung sind, dass sie sie mit systematischem Achselflattern in der Zug-Atmosphäre verteilen. Überhaupt: die Achsel! Das Böse! Meide die Achsel, wo du kannst.
Nun liefert allerdings ein neuer Lifestyle-Trend aktuelles Futter für U6-Theorien. Immer mehr Menschen verzichten - aus ökologischen oder scheinbar gesundheitlichen Gründen - auf Shampoo. "No Poo" heißt diese Bewegung. Wer sich dieser neuen Form der, nun ja, reduzierten Reinlichkeit unterwirft, wäscht seine Haare entweder nur mit Wasser oder lässt das Wasser auch gleich weg. Reicht ja, wenn man das Fett aus dem Ansatz heraus in die Haare massiert. "Ich stinke nicht", sagt eine der Protagonistinnen wehrhaft. "Ich schau nur so aus", will man hinzufügen. Aber "No Poo" ist nur die Spitze des Hygiene-Boykott-Eisbergs. Auch das Deodorant haben "Zurück zur Natur"-Fanatiker schon verbannt. Und manche sogar, kein Scherz, das Klopapier.
Klingt irgendwie, ja genau, nach U6. Die U-Bahnlinie verwest also gar nicht schleichend: Sie ist nur das favorisierte Transportmittel von Trendsettern.