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"Meide die östlichen Vorstädte . . ."

Von Georg Friesenbichler

Europaarchiv

Rechtsextreme Gewalttaten werfen Schatten auf die WM. | Wien/Berlin. "Wichtig ist, dass man unseren ,Gästen zeigt, dass die in aller Welt so moralisch tuende Bundesrepublik nichts weiter ist als ein gewöhnlicher Polizeistaat". So bereitet ein Beitrag auf dem rechtsextremen Internetportal "Störtebecker-Netz" auf die Fußball-WM vor. Dort wird indirekt empfohlen, Feuerzeuge zu Spielen des Iran mitzunehmen und damit israelische Fahnen zu verbrennen - um den Israelis "vom östlichen Rand des Mittelmeers zu zeigen, was man hier von ihnen hält."


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Nein, Demonstrationen habe man nicht angemeldet, reagierte die NPD in Sachsen auf Meldungen, wonach sie vor dem Spiel Iran gegen Angola am 21. Juni einen Aufmarsch plane. Man werde es sich aber nicht nehmen lassen, die iranische Nationalmannschaft "zu begrüßen", "kreative Werbeaktionen" sind angekündigt. Die antiisraelischen und antiamerikanischen Ausfälle des iranischen Präsidenten Ahmadi-Nejad haben ihn bei der Rechten zu einem Star gemacht.

Gleichzeitig machten die "Nationaldemokraten" mit einem WM-Planer unter dem Motto "Weiß. Nicht nur eine Trikotfarbe" Propaganda gegen die farbigen deutschen Nationalspieler Gerald Asamoah und Patrick Owomoyela. Dies wurde ihnen allerdings durch die Gerichte untersagt. Auch eine NPD-Demonstration in Gelsenkirchen wurde bereits verboten.

Dass die rechtsextreme Szene mit einigem Erfolg Fanklubs und Fußball-Hooligans infiltriert, ist nicht neu. Auch außerhalb Deutschlands - etwa in Italien und Spanien - werden in den Stadien gegnerische Klubs und Spieler mit antijüdischen oder rassistischen Sprüchen bedacht oder die Hände zum Faschistengruß emporgestreckt. Die WM in Deutschland soll nun aber besonders ausgeschlachtet werden.

Laut der italienischen Zeitung "La Repubblica" wurde dies bereits im März bei einem Treffen europäischer Neo-Nazis in Österreich vereinbart. Sie wollen am 10. Juni zu einem "Fest der Völker" benannten Treffen in Jena zusammenkommen. In Jena selbst findet zwar kein WM-Spiel statt, aber die Zusammenkunft zeigt, ebenso wie ein NPD-Treffen im bayerischen Cham, den hohen Aktivitätsgrad der extremen Rechten während der WM.

Streit um "No-Go-Areas"

Es sind allerdings nicht nur die Aufmärsche fremdenfeindlicher Organisationen, die den Politikern, an der Spitze Bundeskanzlerin Angela Merkel und Bundespräsident Horst Köhler, Sorgen bereiten. Im Vorfeld der Weltmeisterschaft wurden etliche Vorfälle bekannt gemacht, bei denen Menschen von Skinhead-Schlägern zum Teil schwer verletzt wurden. Nicht alle Vorwürfe stellten sich als wahr heraus, dennoch sorgten vor allem die Äußerungen des ehemaligen Regierungssprechers Uwe-Karsten Heye für Aufregung. Er hatte vor allem an dunkelhäutige WM-Touristen eine Reisewarnung ausgesprochen, wonach sie vor allem in Ostdeutschland "No-Go-Areas" meiden sollten, wenn sie ihre Reise unbeschadet überstehen wollen. Die Spitzenpolitiker in Brandenburg und Berlin zeigten sich empört, Unterstützung kam hingegen vom "Afrika-Rat", Dachverband afrikanischer Vereine. Einen Katalog von "Angstzonen" werde es zwar nicht geben, man werde aber "Vorsichtsmaßnahmen" veröffentlichen. Schließlich stelle sich nicht nur im Osten der Bundesrepublik dieses Problem, auch wenn dort ethnisch motivierte Gewalttaten besonders verbreitet sind. Andeutungen solcher "No-Go"-Listen, die der "Afrika-Rat" vermeidet, weil sich die Problemzonen so schnell ändern, finden sich allerdings längst in englischsprachigen Reiseführern, etwa im britischen "Time Out"-Ratgeber zu Berlin: "Meide die östlichen Vorstädte, wenn du schwul oder nicht-deutsch aussiehst".

Das Problem der rassistisch motivierten Gewalt ist also bekannt. Zum angsterregenden und imageschädigenden Thema, das auch britische, französische und niederländische Medien aufgreifen, wird es nun durch den Fußball. "Die Glatzen dürfen uns nicht die WM kaputt machen", meinte CDU-Parlamentarier Wolfgang Bosbach. Das WM-Motto "Die Welt zu Gast bei Freunden" ist freilich schon beschädigt.