New York - Mit der am Donnerstag erreichten Zahl von | 60 Ratifizierungen kann der Internationale Gerichtshof zur ständigen Verfolgung von Kriegsverbrechen und Völkermord nun offiziell gegründet werden. Die USA allerdings bleiben dem Gericht fern, das Menschenrechtler als Meilenstein in der Entwicklung des Völkerrechts feiern. Der US-Kongress verweigerte die Ratifizierung, weil er Anklagen gegen US-Bürger und politisch motivierte Verfolgung befürchtet.
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"Der Internationale Strafgerichtshof ist potenziell die wichtigste Menschenrechts-Institution der letzten 50 Jahre", erklärt Richard Dicker von der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch. "Es wird das Gericht sein, wo die Saddam Husseins, Pol Pots und Augusto Pinochets der Zukunft zur Verantwortung gezogen werden."
Für die Einrichtung des Internationalen Strafgerichtshofs (ICC) waren 60 Zustimmungen erforderlich, bis Mittwoch hatten 56 Länder, darunter alle EU-Staaten, das Abkommen ratifiziert. Mit den Ratifizierungen aus Bosnien-Herzegowina, Bulgarien, Irland, Jordanien, Kambodscha, Kongo, Mongolei, Niger, Rumänien und Slowakei sind nun sogar 66 Zustimmungen erreicht.
Seine Arbeit wird das Gericht vermutlich Anfang nächsten Jahres aufnehmen können, wenn sich die Vertreter aus allen Staaten, die den Vertrag ratifiziert haben, zusammensetzen und einen Kläger bestellen. Der Internationale Strafgerichtshof soll nur tätig werden, wenn die Behörden einzelner Staaten unwillig oder nicht in der Lage sind, Fälle von Kriegsverbrechen, Völkermord und Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu ahnden.
Die USA, die vor über einem halben Jahrhundert bei den Kriegsverbrecherprozessen in Nürnberg und Tokio noch die treibende Kraft waren, bleiben dem Internationalen Strafgerichtshof fern. Zu groß ist die Sorge in Washington, dass Gegner der USA versuchen könnten, Amerikaner auf die Anklagebank zu setzen. Der ehemalige US-Präsident Bill Clinton hatte das Abkommen zwar unterzeichnet. Doch die Bemühungen Washingtons, amerikanische Soldaten und Regierungsmitglieder von Anklagen generell auszunehmen, scheiterten. Die Regierung von Präsident George W. Bush erwägt, die Unterschrift Clintons rückgängig zu machen.
Seit den Kriegsverbrechertribunalen in Nürnberg und Tokio sind nach Angaben der Organisation "Koalition für einen Internationalen Strafgerichtshof" 86 Millionen Menschen in 250 bewaffneten Konflikten getötet worden. Mehr als 170 Millionen haben in diesen Kriegen ihre Rechte, Eigentum und Würde verloren. "Die meisten dieser Opfer wurden einfach vergessen und nur wenige der Verbrecher vor Gericht gebracht", teilte die Organisation mit. Der Bosnienkrieg und der Völkermord in Ruanda hatten die Verhandlungen über die Einrichtung eines ständigen für Kriegsverbrechen zuständigen internationalen Gerichts beschleunigt.