Nach der brutalen Ermordung einer Enthüllungsjournalistin fordern die Malteser eine unabhängige Justiz.
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Marsaxlokk/Sliema/Valletta. "Das war kein politischer Mord!" Andrew reißt das Lenkrad scharf nach rechts und zwingt seinen weißen, klapprigen Neunsitzer mit jaulenden Reifen in die mit Schlaglöchern übersäte Kurve nach Marsaxlokk, ein malerisches Fischerdörfchen an der Südküste Maltas. "Sie schrieb über die Mafia. Tust du das, dann wollen sie, dass du die Schnauze hältst. Man wollte sie zum Schweigen bringen", erzählt der Mann Mitte vierzig mit von Sonne und Wind gegerbtem Gesicht.
Es ist angenehm warm am Neujahrstag auf Malta. Die Busse fahren für ein paar Stunden nicht. Die Fahrer sollen den Festtagsschmaus im Kreise der Familie genießen, bevor sie sich wieder ans Steuer setzen. Hochbetrieb für Andrew, den Taxi-Fahrer mit seinem alten Neunsitzer. Der Inselstaat zwischen Sizilien und Libyen mit seinen 440.000 Einwohnern, katholisch, seit 1964 unabhängig, seit 2004 EU-Mitglied, seit 2008 in der Eurozone und seit dem 20. Jänner Europas Kulturhauptstadt, in dem sich seit Ewigkeiten die konservative Nationalist Party und die Labour Party in der Regierung abwechseln, geriet plötzlich in die internationalen Schlagzeilen.
Wegen eines Mordes. Daphne Caruana Galizia, maltesische Enthüllungsjournalistin und Bloggerin, wurde am 16. Oktober 2017 mit einer Autobombe getötet. Sie wurde nur 53 Jahre alt. Der Fall sorgte weltweit durch seine Brutalität für Aufsehen.
Die Bombe in ihrem Peugeot 108 explodierte, als sie gerade von der Ausfahrt ihres Hauses in Bidnija, in dem sie mit ihrem Mann und drei Söhnen lebte, 25 Kilometer nördlich von Maltas Hauptstadt Valletta gelegen, auf die Landstraße gefahren war. Ihre sterblichen Überreste blieben mehr als 24 Stunden an fünf Stellen auf einem Acker verstreut. "Weshalb? Ihr Mann und ihre Söhne sahen die Teile der Leiche auf der Fahrt nach Hause. Das ist so widerlich, so menschenverachtend", klagt Jason Azzopardi, der Rechtsanwalt der Familie.
Die Ermordung Daphnes, wie sie alle hier in Malta nennen, hat tiefe Spuren auf der Mittelmeerinsel hinterlassen. Daphne Caruana Galizia, studierte Archäologin, grub gerne. Und sie grub tief. Aber nicht nach antiken Funden, sondern nach ganz anderen Dingen. Sie brachte Brisantes zutage. "Daphne war Maltas Top-Investigativjournalistin, eine unglaublich gute Enthüllungsjournalistin. Ihr Blog hatte täglich hunderttausende Aufrufe. Für viele von uns ist das ein persönlicher Verlust. Es war eine tägliche Routine, ihren Blog zu lesen", sagt Mark Wood, Chefredakteur der englischsprachigen "Malta Times", der führenden Qualitätszeitung im kleinsten EU-Land.
Der 56-Jährige sitzt in einem kleinen Büro, gleichen neben dem Newsroom der "Malta Times" in einem tristen Gewerbegebiet in Valletta. "Daphne wusste, dass ihr Leben in Gefahr war. Dennoch schrieb sie weiter. Das zeugt von Mut."
Panama Papers lassen Regierung kalt
Reichlich Stoff für ihre Geschichten lag direkt vor ihrer Haustür. Korruption, Geldwäsche, allerlei dubiose Machenschaften, auch von Regierungsmitgliedern, aufzudecken, hatte sich Daphne Caruana Galizia zur Lebensaufgabe gemacht.
Einen Coup landete sie im April 2016. Daphnes ältester Sohn Matthew ist Mitglied im internationalen Recherchenetzwerk ICIJ. Er steckte seiner Mutter den Malta-Teil der ominösen Panama Papers. Und sie ließ sich nicht lumpen. Sie publizierte die Verwicklung von exponierten Regierungsmitgliedern: Gleich hinter zwei Offshore-Firmen in Panama, Hearnville und Tillgate, würden Maltas damaliger Energie- und Gesundheitsminister, Konrad Mizzi, heute Tourismusminister, sowie Keith Schembri, omnipotenter Stabschef von Premier Joseph Muscat, alle von der seit 2013 (wieder) regierenden Labour Party, stecken.
Ein handfester Skandal. Eigentlich. Dennoch dachte keiner der Politiker an Rücktritt. "Malta war zwar 150 Jahre eine britische Kronkolonie, hier gilt englisches Recht. Aber hier gelten auch andere politische Sitten. Rücktritte gehören nicht zur Selbstverständlichkeit im politischen Betrieb. Im Gegenteil", sagt Wood.
Genau ein Jahr später, im April 2017, enthüllte Daphne Caruana Galizia, dass auch Muscats Frau Michelle in die Panama Papers verwickelt sei. Ihr gehöre die Firma Egrant. Der Vorwurf: Egrant habe eine Million US-Dollar von Leyla Alijeva kassiert, der Tochter des schillernden Präsidenten Aserbaidschans Ilham Alijev.
Die Transaktion sei über die Pilatus Bank in Malta abgewickelt worden. Das Geldinstitut gründete 2014 ein Iraner, der Bürger von St. Kitts and Nevis ist. Die Karibikinsel ist wie Malta Mitglied im Commonwealth of Nations. Die Pilatus Bank hat nur 130, dafür aber offenbar sehr betuchte Kunden. Ihr Bilanzvolumen: stattliche 300 Millionen Euro. Sie fungiere in Malta als die auserwählte Bank der aserbaidschanischen Polit- und Wirtschaftselite, die auf Pilatus-Konten Millionen Euro bunkere, wird auf Malta kolportiert.
Wer glaubt, Premier Muscat würde spätestens nach der unsäglichen Causa Michelle das Handtuch werfen, irrt gewaltig. Er ergriff die Flucht nach vorne. Statt turnusgemäß bis März 2018 die Parlamentswahlen abzuwarten, rief er für Anfang Juni des vorigen Jahres vorgezogene Neuwahlen aus. Muscats Labour Party triumphierte.
"Korruption gab es auf Malta immer. Keine Regierung war 100 Prozent sauber. Aber noch nie war die Korruption so massiv wie heute. Die Korruption ist der Stil, der Motor der Regierung", sagt Michael Briguglio, Soziologieprofessor an der Universität Malta.
Panama Papers lassen Regierung kalt
Malta und den Maltesern geht es gut. Die Baubranche boomt, die Reisebranche mit rund zwei Millionen Touristen im letzten Jahr floriert, hunderte global agierende Online-Gaming-Firmen sind auf Malta registriert, unzählige Briefkastenfirmen profitieren von den hiesigen Steuererleichterungen, auch der Verkauf von maltesischen Pässen an reiche Nicht-EU-Bürger für eine schöne Stange Geld läuft offenbar glänzend.
Die Wirtschaft wächst rasant, im 3. Quartal 2017 um fulminante 7,2 Prozent. Nur vier Prozent der Malteser sind ohne Job. Der Staatshaushalt weist einen Überschuss von einem Prozent aus, die Staatsschuldenquote ist mit 58,3 Prozent (2016) niedriger als in den meisten Ländern im Norden der EU. Das Jahreseinkommen der Malteser ist auf knapp 18.000 Euro pro Kopf gestiegen, rund 80 Prozent mehr als noch im Jahr 2000. Ein armes Land wurde wohlhabend im Rekordtempo.
"Die Leute sind happy. Sie haben Arbeit, sie haben Geld in der Tasche. Sie schmieren, um schneller eine Baulizenz für zwei neue Stockwerke zu erhalten, um diese umgehend zu vermieten. Patronage, Freunderlwirtschaft, Klientelismus. Die Regierung Muscat hat das auf die Spitze getrieben", schimpft Briguglio.
So werde auch der Korruption im großen Stil und der Geldwäsche der Weg geebnet. Fehlende Transparenz bei Staatsaufträgen, krumme Geschäfte aller Art, fehlende Kontrolle beim Passverkauf an Interessierte aus aller Herren Länder. Dabei gilt offenbar: freie Bahn für die Regierung. Getreu dem Motto: "The winner takes it all". Heißt auf Malta: "Der Wahlsieger bekommt alles."
So habe sich die Labour Party 2013 wieder an die Macht katapultiert, sagt Briguglio. "Die Nationalist Party hat 2013 daher die Wahl verloren. Sie war einfach nicht so korrupt wie die anderen", meint Briguglio.
Der Uni-Professor ist Aktivist, er glaubt fest an die Zivilgesellschaft, die gegen Missstände in Staat, Wirtschaft und Gesellschaft kämpft. Er stand an der Spitze der kleinen Grünen Partei, bevor er sie vor den letzten Parlamentswahlen verließ, um eine Anti-Korruptionskoalition mit der übrigen Opposition zu schmieden. Der Mord an Daphne Caruana Galizia ist auch für Briguglio eine Zäsur. "2017 war das dunkelste Jahr, an das ich mich erinnern kann. Es ist schwer zu sagen, dies sei kein politischer Mord gewesen."
Das sieht Premier Muscat ganz anders. "Das war eine barbarische Tat. Mein Interesse ist, die unsichtbare Hand hinter diesem Verbrechen aufzudecken", beteuerte er unmittelbar nach der furchtbaren Tat. Ansonsten halten sich Muscat und Co. bedeckt. Eine Anfrage der "Wiener Zeitung" blieb unbeantwortet.
Muscat will allen zeigen, dass er es ehrlich meint. Nach der Ermordung der populären Bloggerin setzte seine Regierung eine Belohnung von einer Million Euro für Hinweise auf die Mörder der Journalistin aus. Ferner ermittelten von Anfang an neben maltesischen Behörden auch Europol, das FBI sowie finnische Geheimdienstmitarbeiter auf Malta.
Vertrauen in den Rechtsstaat ist erodiert
Anfang Dezember 2017 wurden drei Verdächtige wegen Mordes angeklagt. Alle sind Malteser, darunter zwei Brüder. Sie sind der Polizei bekannte Gauner und Betrüger. Keine Killer, zumindest bisher. Sie bestreiten die Tat. Sieben weitere Beschuldigte kamen gegen Kaution frei.
Laut Anklage soll das Trio Daphne über längere Zeit beschattet, die Autobombe an ihrem Peugeot befestigt und diese auch gezündet haben. Sie haben jedoch mit Sicherheit nur einen Auftrag ausgeführt. Daphne Caruana Galizia hatte nichts über das angeklagte Trio geschrieben. Feinde hatte sie jedenfalls genug. Zum Zeitpunkt ihrer Ermordung waren gegen Daphne Caruana Galizia 47 Klagen anhängig.
Ein italienischer Staatsanwalt, der in einem Fall von mutmaßlichem Ölschmuggel der Mafia von Libyen über Malta nach Italien ermittelt, vermutete prompt, Galizias Berichte darüber könnten der mögliche Grund für ihre Ermordung gewesen sein.
Mark Wood, der Chefredakteur der "Malta Times", bleibt skeptisch. Für ihn ist das Vertrauen der Malteser in den Rechtsstaat endgültig erodiert. "Die Rechtsstaatlichkeit scheint auf Malta schon länger nicht so zu funktionieren, wie sie sollte", legt er den Finger in die Wunde. Malta befinde sich mittlerweile in einer Verfassungskrise. Die Kontrolle der Regierung durch staatliche Institutionen, besonders in politisch heiklen Fällen sei nicht mehr gewährleistet, die Trennung der Gewalten nur noch Wunschdenken, so Wood.
Die Fakten: Weder gegen die beiden Schlüsselpersonen in Muscats Kabinett, die in die Panama Papers verwickelt sind, noch gegen Muscats Frau Michelle haben die maltesischen Behörden bisher ernsthaft Ermittlungen geführt. Sie bleiben unbehelligt. Die dubiose Pilatus Bank wurde ferner im März 2016 zunächst in einem umfangreichen Report der maltesischen Anti-Geldwäsche-Behörde FIAU schwer belastet. Doch kurze Zeit später, im September 2016, bescheinigte ihr genau diese wieder ein astreines Geschäftsgebaren.
Ein nicht unerhebliches Detail: FIAU-Direktor Dr. Manfred Galdes, ein als absolut integer geltender Technokrat, war zuvor, Anfang August 2016, von seinem Posten zurückgetreten - wenige Wochen nach der ersten Veröffentlichung des Malta-Teils der Panama Papers durch Daphne Caruana Galizia.
Medienberichten zufolge hatte die FIAU unter der Führung von Galdes gegen Keith Schembri, den Stabschef im Kabinett Joseph Muscat sowie Minister Konrad Mizzi ermittelt - und zwar hinsichtlich deren geheimen Offshoregeschäften in den British Virgin Islands, Gibraltar, Zypern sowie Panama. Die FIAU untersteht Maltas Finanzministerium. Übrigens: Die Pilatus Bank kam letztlich ungeschoren davon, nicht einmal eine Strafgebühr wurde verhängt.
Ein paar Monate vor ihrer Ermordung froren die maltesischen Behörden zudem die Bankkonten von Daphne Caruana Galizia ein. Ein einmaliger Vorgang. Hintergrund: Daphne Caruana Galizia genoss es offenbar, auch Klatschgeschichten zu veröffentlichen, um die Doppelmoral der einheimischen Politelite aufs Korn zu nehmen.
Konkret hatte sie gebloggt, der maltesische Wirtschaftsminister Chris Cardona habe das Bordell "Saunaclub FKK Acapulco" (hauseigener Slogan: "Alles andere war gestern") im nordrhein-westfälischen Velbert besucht. Der Labour-Politiker weilte in Deutschland, um eine Rede auf einer Konferenz zu halten.
Es herrscht ein Klima der Angst
Daphnes Mann Peter offenbarte schließlich nach der brutalen Ermordung seiner Frau: "In den vergangenen Monaten wurde mein ältester Sohn vom Premier verklagt, der mittlere aus dem diplomatischen Dienst zurückgerufen und unser Hund vergiftet. Er überlebte nur durch die intensive Pflege meiner Frau. Und dann geschah das Unfassbare." Er sagte dies mit Tränen in den Augen.
"Das größte Problem ist, dass jetzt ein Klima der Angst herrscht", sagt Mark Wood. Ich sage einem Redakteur im Newsroom, der an einer brisanten Story arbeitet: ‚Pass bitte auf. Sei achtsam, wo du dich mit jemanden triffst.‘ Das gab es vorher nicht."
Ein Sumpf von Korruptionsaffären
In einem Nobel-Hotel in Sliema drückt Jonathan Ferris auf den obersten Knopf des Aufzuges. "Wir fahren ganz nach oben. In die Exekutive Club Lounge. Da sind wir allein." Der schmächtige Mann mit Brille und blasser Gesichtsfarbe ist das, was man in Malta einen Nestbeschmutzer nennen kann. Einen professionellen - mit Herz und Leidenschaft.
Fünf Uniabschlüsse hat Ferris, dessen schottischer Großvater als britischer Marineoffizier in den damaligen Kronkolonien im Mittelmeer tingelte. In Wirtschaft, Philosophie und Theologie, ferner einen Master in Theologie und: Kriminologie.
Nach seinem Berufseinstieg in die Privatwirtschaft ging er 2011 zur Polizei. Ferris wurde Inspektor, zuständig für Ermittlungen in Kriminalfällen. Und er ermittelte verdammt gut. In fünf Jahren habe er etwa 400 Fälle bearbeitet, die meisten klärte er auf, sagt er stolz. Seine Spezialität: Korruption. Sein bekanntester Fall: die Korruptionsaffäre um John Dalli.
Im Februar 2010 wurde Dalli, Politiker der konservativen Nationalist Party, die damals in Malta regierte, Mitglied der EU-Kommission unter Jose Manuel Barroso, wo er als EU-Kommissar für Gesundheit und Verbraucherschutz fungierte.
Nach Korruptionsvorwürfen trat der 69-Jährige im Oktober 2012 als Kommissar zurück, besser: Er wurde (von Barroso) zurückgetreten. Wer Dalli auf die Schliche kam? Jonathan Ferris.
Inspektor Ferris war schnell so geschätzt wie gefürchtet. Zum Zerwürfnis mit seinem Dienstgeber kam es, als er vertrauliche Informationen in einer ganz anderen Sache an die mittlerweile an die Macht gekommene Labour-Regierung weitergeben sollte. "Dazu war ich nicht berechtigt. Ich gab nicht nach. Das erzeugte böses Blut", erinnert sich Ferris.
Er verließ die Polizei und ging 2016 zur Anti-Geldwäsche-Behörde FIAU. Ferris avancierte zum Leiter der Finanzermittlungen. "Ich hatte mehr Macht, mehr Instrumente als bei der Polizei", erklärt Ferris. Zum Beispiel bei Konto-Abfragungen. "Bei der Polizei verstrichen mehrere Wochen, bis ich die Daten auf dem Tisch hatte. Bei der FIAU hatte ich alles in fünf Tagen."
Anfangs ließ man Ferris bei der FIAU schalten und walten, wie er wollte. Zum Verhängnis wurden ihm seine Ermittlungen in puncto Egrant, besagter Offshoregesellschaft, die der Frau von Premier Joseph Muscat gehören soll. "Einige Tage vor einer wichtigen Dienstreise nach Macau feuerten sie mich. Ich hätte dort die Ergebnisse in Sachen Egrant erhalten", sagt Ferris. Seine Verbitterung ist nicht zu überhören.
Ferris klagte seinen Ex-Arbeitgeber. Ihm ginge es nicht nur um Geld, sondern auch um die Wiederherstellung seiner Reputation. "Ich habe doch nur meinen Job gemacht", sagt Ferris. Für maltesische Verhältnisse zu gut.
Mittlerweile verdingt sich Ferris als Sicherheitschef in einem Fünf-Sterne-Hotel in Malta, wo er auf Flipflops tragende Touristen aus Boston, Bristol, Bremen, Bahrain oder Tokio aufzupassen hat.
Um seine körperliche Unversehrtheit und die seiner Familie ist der ehemalige Ermittler permanent besorgt. Polizeischutz bekomme er nur in der Nacht. "Das ist doch ein Witz! Michelle Muscat bewachen mehrere Polizisten, wenn sie zum Friseur nach Valletta geht", sagt Ferris.
Seine sechsjährige Tochter habe große Angst. "Die Kleine schaut morgens immer unter das Auto, ob nicht eine Bombe befestigt worden ist", sagt er.
"Ich habe zwei Pistolen. Legal, als Polizist. Eine Pistole habe ich immer bei mir. Und ich werde nicht zögern zu schießen, wenn ich oder meine Familie in Gefahr geraten."
"Wacht auf! Occupy Justice!"
Pia Zammit wartet auf Malta auf den Sound Check in dem Theater von Sliema. "Show me the funny" heißt das Stück, das die Theatergruppe "The Comedy Knights" schon in der fünften Saison aufführt. Es ist eine Satire, die die gesamte maltesische Politelite auf die Schippe nimmt. Zammit spielt Michelle Muscat, Maltas First Lady. "Ich spiele Michelle als eine sehr naive Person. Sie liebt ihren Mann Joseph über alles, sie ist so unschuldig. Und sie glaubt, dass sie alle als Heilige sehen." Und das bringt das Publikum zum Lachen.
Aber nicht alle finden das so lustig. Erst am Vorabend habe sie eine Hassmail erhalten, erzählt Pia. "Sie war ausgedruckt vier Seiten lang. Das Motto: "Halt endlich die Klappe! Sonst . . ."
Die 49-Jährige hält aber nicht die Klappe. Für sie ist die Ermordung Daphnes ein echter "Game Changer", ein Ereignis, dass den Lauf der Geschichte ändert. "Ich saß am 16. Oktober zuhause am Computer, als mich ein Cousin von Daphne schreiend anrief, dass eine Autobombe Daphne getötet habe. Ich konnte es nicht fassen."
Zammit, die nie in einer Partei war, sagt mit fester Stimme: "Vor dem Mord war ich immer sehr empört über die Korruption im Land. Ich habe darüber geschrieben, dass ich diese Regierung nicht mag, weil sie so korrupt ist. Nach dem Mord an Daphne schreie ich, so laut ich kann: ‚Wacht auf! Occupy Justice!‘"
"Occupy Justice" ist auch der Name einer Gruppe von mehreren Dutzend Maltesern, die meisten Frauen, die nach dem Mord an Daphne Galizia endlich einen Neuanfang für Malta fordern. Der Name ist Programm. Sie demonstrieren, sie prangern an. Was sie wollen? "Eine unabhängige Justiz, eine unabhängige Polizei, Transparenz. Überall. Dann war der Tod Daphnes nicht umsonst."